Freitag, 8. Juli 2016

„Zukunft transatlantica“ Transatlantisch? Westlich? Global?



Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 06. und 07..07.2016

Zustand und Befindlichkeit des Transatlantischen Bündnisses, des „Westens“ und der Europäischen Union sind stets Themen der Heinrich-Böll-Stiftung. Bei der zweitägigen außenpolitischen Fachtagung standen zwei Fragen im Raum. Wo stehen wir? Welche Zukunft erwartet uns?

Ein Gefühl der Unsicherheit liegt in der Luft. Sind die Bedrohungen von Außen und Innen abzuwehren? Gerade die Europäische Union erlebt Kriege, hybride Kriege und Bürgerkriege im Süden und im Osten. In den USA und in Europa stellen Populisten die gemeinsamen Werte in Frage. Eine Erosion des gegenseitigen Vertrauens ist zu bestaunen, wenn man sich die öffentliche Diskussion hinsichtlich der Freihandelsabkommen CETA und TTIPP anschaut. 

"Blogger - Screenshot" (Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung)https://calendar.boell.de/de/event/zukunft-transatlantica
Der Blick von außen kann hilfreich sein. Und wie es ihre Art ist, hat die Böll-Stiftung eine Runde hochkarätiger Teilnehmer eingeladen, die die Sichtweise anderer Staaten auf „den Westen“ darlegen können. China, Indien und weiterhin Russland werden mit den USA und der EU die zukünftige multipolare Welt gestalten. Jing Men, Evelyn N. Farkas, Brahma Chellaney, Fyodor Lukyanov, Wilfried Mausbach, John Kornblum, Sylke Tempel und andere sind in der „Außenpolitischen Welt“ bestens verdrahtet und respektiert.

„Der Westen“ steht übrigens gerade heutefür „common values“, die sich hier seit 300 Jahren etabliert haben. Die Menschenrechte, die Demokratie, das Rechtsstaatsprinzip, die freie Marktwirtschaft, ja der Kapitalismus wurden hier entwickelt. Wer das arrogant missachtet, der lasse sich vor ein russisches oder ein chinesisches Gericht stellen.

Gleichzeitig steht „der Westen“ mit unterschiedlichen Protagonisten für den Einsatz politischer und militärischer Gewalt. Westliche Staaten waren Kolonialmächte und sind auch heute bereit, militärisch einzuschreiten. Portugiesen, Spanier, Niederländer, Briten und Franzosen haben sich nie gescheut, ihre Eigeninteressen energisch und aggressiv durchzusetzen. Und „der Westen“ unserer Tage basiert (nicht nur) auf den Sicherheitsverträgen, welche die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg vereinbart haben. Das „Transatlantische Bündnis“ basiert auf dem Sicherheitsgerüst der NATO. Darauf aufbauend können die fruchtbaren Wirtschaftsbeziehungen mit den vereinbarten Organisationen (WTO, IWF etc.) überhaupt funktionieren.

Der „Westen“ der Jetztzeit umfasst daher die freien Demokratien Europas – im Wesentlichen also die Europäische Union -, Nordamerika sowie die Verbündeten Japan und Südkorea, aber auch Australien und Neuseeland und last but not least insbesondere immer Israel. Und man kann Zahlen drehen oder wenden. Militärisch nimmt seine Macht relativ ab. Betrachtet man die sogenannte Kaufkraft von Währungen, dann ist innerhalb eines Jahrzehnts der Anteil „des Westens“ am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 60% auf 40% deutlich abgesunken. Seine Bevölkerung macht nur noch 12% der Erdbevölkerung aus. Die sieben größten „emerging economic powers“ haben kombiniert (allerdings erneut in Kaufkraftparitäten gerechnet) mittlerweile ein höheres BIP als die G7 – Staaten, die Kernstaaten „des Westens“.

Da hilft es, wenn ein Inder die Frage stellt, was nach einem Kollaps „des Westens“ denn passieren würde! Was würde passieren, wenn NATO und Europäische Union nach einem BREXIT und nach einem Wahlsieg von Trump in den USA und Marie le Pen in Frankreich implodieren würden?

Nun! Für Deutschland und für Europa wäre das katastrophal. Die Welt von vor 1914 wäre wieder da. Die „Mächte“ auf dem kleinen Kontinent würden wieder gegeneinander arbeiten. Wirtschaftswunder kämen keine mehr. Und gerade das verheerende BREXIT-Votum lädt geradezu ein, diesen Weg in den Wahnsinn einzuschlagen!

Zudem würde niemand mehr „internationale Anliegen“ wie die Menschenrechte oder den Klimaschutz verfolgen und unterstützen. Rechtsstaatlichkeit als Prinzip einzufordern, wie es Angela Merkel bei jedem Besuch in China tut, es wäre unmöglich.

Und die Institutionen, die den Rahmen bilden, damit man miteinander und zusammen arbeitet, sie wären Asche. Gerade das zeichnet den Westen aus. Die Europäische Union und die NATO bilden diese Organisationen, in deren Rahmen man „miteinander reden“ kann.

Es gibt nichts Vergleichbares „on this planet“. Was würde sich wohl schlagartig im Verhältnis zwischen China und Japan ändern, wenn die USA als Schutzmacht nicht mehr „den Westen“ garantieren würden?

Um die Europäische Union zu betrachten reichen zwei Worte: „in decline“ – Im Niedergang. Das ist zwar Nonsens, erfährt aber durch den BREXIT der Engländer eine real existierende Dimension der Vorstellbarkeit.

Dass die Briten mit dem BREXIT Probleme bekommen werden, dem bleibt zuzuschauen. Dass sie fahrlässig „den Westen“ gefährden, ist Realität.

Leider kann dieses Thema die EU über Jahre in permanenter Arbeit und in Selbstzweifeln halten. Wer sich noch an die völlig wahnhaft und ständig einberufenen Sondergipfel bezüglich der „Griechenland-Krise“ erinnern kann, der kann bereits heute Alpträume bekommen.

Es lohnt sich, mal darüber nachzudenken, ob man selbst wirklich lieber in Indien, China oder Russland leben wollte. Es lohnt sich, für die eigenen Werte zu kämpfen. Man kann das nicht den Teilnehmern einer brillanten Tagung der Böll-Stiftung überlassen.

Um sein Recht! Um seinen Zugang zu Bildung und Wohlstand! Müssen europäische Bürger wieder kämpfen! Sonst droht Ungemach.

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