Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 28.06.2017
… wenn doch im Westen ein „apokalyptischer Populismus“ vorherrscht? Warum
konnte Trump Präsident werden? Wie konnte es zum Brexit kommen? Der Neoliberalismus
gepaart mit Nihilismus und „Apokalypsus“ war‘s.
So kann man den eindringlichen Vortrag
der Politikwissenschaftlerin und Feministin Wendy Brown
zusammenfassen.
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"Wendy Brown in Berkley 2016" (Quelle: Wikipedia / Autor: Politikundtheorie / Lizenz:Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International ) |
Warum Donald Trump die
Präsidentschaftswahl in den USA gewinnen konnte, das ist oft genug beschrieben
worden. Wissenschaftliche Auswertungen (ja, die gibt es nach jeder Wahl!)
erfolgen noch. Trump beschwört das Desaster und erklärt sich zum Heilsbringer.
Wendy Brown benennt, dass 88 Prozent
der Wähler Trumps Weiße waren. Sie benennt drei
Triebkräfte, die Trump bedient. Die Suche nach Schutz und Ordnung, nach
einem guten Einkommen. Die Suche nach „Disruption“, dem Sprengen der
Fesseln. Und die Suche nach Halt, nach Werten jenseits einer "Homo-Ehe"!
Wendy Brown benennt aber vor Allem, wie
zerstörerisch die Politik in den USA (und in the UK) seit 40 Jahren handelt.
Seit 40 Jahren bestimmt in den USA der Neoliberalismus die Politik. Der Mensch wird als ein strikt
ökonomisch / wirtschaftlich handelndes Etwas angesehen. Ob er wählt, ob er
seine Kinder liebt, seine Angehörigen pflegt oder sich für gesellschaftliche
Belange einsetzt – es wird ökonomisch begründet! Also könne man eigentlich alles marktwirtschaftlich abbilden!
In einer Marktwirtschaft sei der
Staat dafür da, um grobe Regeln vorzugeben. Die „wunderbare schöpferische Kraft“
der Marktwirtschaft ließe dann alles Mögliche erblühen. Die Politik habe sich
raus zu halten! Im Beraterteam von Trump sind Leute, die Politik in den USA
schlicht abschaffen wollen.
Vor 30 Jahren haben Ronald Reagan und Maggie Thatcher
in den USA und in the UK dem folgend die Finanzmärkte
dereguliert. Die Finanzkrisen von
2000 und 2007 haben das Leben von Hunderten Millionen Menschen beeinträchtigt.
Dass „die Globalisierung“ irgendwie immer erwähnt werden muss, geschenkt.
Dass eine „liberale politische Agenda“
verunsichern kann, geschenkt.
Hervorzuheben sind zwei Aspekte, die
Wendy Brown benennt, und die sonst nie genannt werden!
Wir leben „im Westen“ in einer Zeit
des Nihilismus. Werte sind nicht
mehr wichtig. Darum zu kämpfen, lohnt nicht mehr. Wahrheit, Fakten oder „Fake-News“
scheinen gleich unwichtig zu sein. „Trolls“ dürfen unkommentiert ihren
Erguss verbreiten. Die zerstörerische Kraft des Neoliberalismus scheint gewirkt
zu haben. Wie sagte es Maggie doch 1987 so schön: „There is no such thing as society“. Das bestimmte die Politik in the UK. Gemeinsinn ist ein Etwas unter Vielen.
Hinzu kommt das Stieren nach der Apokalypse. In deutschen „Leitmedien“
wie Welt, N24, FAZ kann man es täglich bewundern. Täglich droht der Untergang!
In the UK ist in den nicht abzählbaren Medien von Rupert Murdoch eines immer
gewiß gewesen: die EU ist schlecht, der Euro geht den Bach ‘runter und in „Brüssel“
sitzt der Feind. Während der Brexit-Kampagne wurde das apokalyptisch in den
Wahnsinn gesteigert. Es wäre völlig okay, wenn the UK nach dem Brexit „over the cliff“
gehen würden. Danach … irgendwann … würde … es ganz toll werden. Das klingt
nach Wiederauferstehung! Und das klingt nach den Worten von Politikern, die in
the UK eine finanzielle Abhängigkeit
von Rupert Murdoch
suchen und finden.
Antworten lieferte Wendy Brown keine.
Das ist auch nicht notwendig. Das ist die Sache von Bürgern und Politikern, die
in Europa weniger Neoliberalismus ausprobieren wollen.
Die anschließende Diskussion ließ mich zerfließen. Nur gut, dass der
Vortrag im Haus der Kulturen der Welt vorgetragen wurde. Da sitzt man dann
neben Zeitgenossen, die ihre Schuhe ausziehen und genußvoll die Innenseite des
Etikettes ihrer Wasserflasche abschlabbern. Wat mut, dat mut …