Sonntag, 11. Juni 2017

"You Want Kilims, But I Do Films“



Akademie der Künste, Berliner Platz, Berlin, 11.06.2017
„Kunst und Kultur in der Türkei“. Banu Karaca beschreibt, wie die Zensur in der modernen Türkei funktioniert.  

Um es gleich vorweg zu sagen. Auch totalitäre Staaten wollen den Anschein aufrecht erhalten, ein Rechtsstaat zu sein. Moderne Zensur kann sich dort also auf Gesetze berufen. Und wenn man sucht, dann findet man auch in den Gesetzeswerken der USA, Frankreichs oder Deutschlands ganz sicher Paragraphen, die in repressiven Zeiten auch repressiv ausgelegt werden.

Yasemin Özcan "301", 2009"
(Bloggerscreenshot /
Urheberrechte: Yasemin Özcan)

In der Türkei gibt es seit 2005 den Artikel 301 des Strafgesetzbuches: „Beleidigung der türkischen Nation, des Staates der türkischen Republik und der Institutionen und Organe des Staates“.

Banu Karaca listet punktuell an Hand von Beispielen auf, wie in der Türkei die (künstlerische) Meinungsfreiheit eingeengt wird. Ein Film darf nicht gezeigt werden, weil die Altersfreigabe nicht zertifiziert wurde. Immer gerne wird die Sicherheit der Zuschauer als Grund für Maßnahmen herangezogen. In der Türkei ist dem Staat alles suspekt, was kurdische oder armenische Belange aufzeigt. Das Militär und alle Konflikte sind Tabuthemen. Und Staatspräsident Erdogan darf nicht kritisiert werden. Wen es übel erwischt, der landet für drei Jahre im Gefängnis.

Künstler wehren sich, indem sie in ihren Filmen die zensierten Passagen schwarz zeigen. Oder machen Kunst aus dem Artikel 301, wie es Yasemin Özcan gemacht hat. Ihr Werk „301“ zeigt einerseits ein Schmuckstück. Und es fordert dazu auf Karaoke zu singen: den Text des Artikels 301!

Als Deutscher fühlt man sich hier nah und fern zugleich. Und man sollte die Kirche wahrlich im Dorfe lassen! Die Türkei erlebt Kriege und Krisen seit Jahrzehnten. Sie ist ein „Frontstaat“, wie es die BRD bis 1989 im Kalten Krieg war. In der alten BRD konnte man als Künstler durchaus Repressalien erfahren, wie der ehemalige Präsident der Akademie der Künste Klaus Staeck sicherlich zu berichten weiß.

In der alten BRD gab es Berufsverbote. Es war das Jahr 1985, als es im Saarland geschah: durch eine Wahl wurde eine Regierung abgewählt. Ein solches Ereignis hat die Türkei längst hinter sich. Nur Frontstaat ist sie weiterhin. Und die Terroranschläge der letzten Monate und Jahre dort stellen eine Aggression dar, welche die alte BRD so niemals erfahren mußte.

Deswegen bleibt am Ende dieses Abends die feste Überzeugung, dass die türkische Zivilgesellschaft das hinbekommen wird. Und wenn das mit ein wenig Unterstützung aus Deutschland hinzubekommen ist, dann wird irgendwann auch Erdogan damit leben können.

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