Dienstag, 16. Januar 2018

Schöne neue Brexit-Welt! Oder, …


… wie schön es ist, wenn man nach den Feiertagen mal ein paar Stunden Zeit hatte und sich anlesen und –sehen konnte, was „Singapur an der Themse“ für die Briten bedeuten soll.
England ist sicherlich das Land, in dem die „Spin Dottores“ erfunden wurden. Eine erfolgreiche aber recht eigene Spezies von Politikberatern. Wie der ‚Spin‘ schon verrät, arbeiten diese Berater überzeugend  mit verdrehten Worthülsen und Phrasen. Mit Propaganda, die letztendlich inhaltsleer ist, aber Emotionen und Begierden weckt. So wurden Brexit-Träume phantasiert. Alle populistischen Parteien in Europa durften Unterstützung von Brexit-Briten (Brexiteers) erfahren!




"Verfremdeter Blogger-Screenshot" (Quelle: The Economist, Author: KAL)

DieUSA wiederum sind das Land, in welchem die „Think Tanks“ erfunden worden sein müssen. In den Vereinigten Staaten existieren recht rege mehr ‚Institutes for …‘ als Einwohner in Portugal wandeln. In Deutschland gibt es dankenswerterweise ebenfalls Einrichtungen, die sich darum bemühen, der Politik Expertisen z. B. im Bereich der Wirtschaft zuzuarbeiten. Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, verschiedenste Stiftungen oder auch Fachbereiche von Hochschulen erfüllen eine solche Aufgabe hierzulande. In den USA jedoch gibt es keinerlei Beschränkung in der Rechtsform. Milliardäre, gerne irgendwelche Drogen- oder Tabak-Industrien, Liberitäre oder reiche Wahnsinnige gründen Institutes und zielen professionell auf die Meinung der Öffentlichkeit und die Meinung des Kongresses ab.
Eine Kombination beider „gesellschaftlicher Phänomene“ hat in Zusammenarbeit auf den Brexit und den Wahlsieg Trumps hingearbeitet. Wie ist die Legende in  the UK?
Das Weltbild der „spin“ -enden Brexit-Doktoren auf der Rechtsaußen-Seite dort ist einfach gestrickt: Die EU ist ein „Block“, so wie der Warschauer Packt ein „Block“ war. Die EU wird von nicht gewählten „Bürokraten regiert“. Die EU hat kein Parlament – es gibt nur ein Parlament, welches in London sitzt. Juncker ist Alkoholiker. Die Deutschen sind Nazis. Die EU ist das „vierte Reich“. (Wer das nicht glaubt, schaue sich das „Cartoon“-Video von The Times zum Zweiten Weihnachtsfeiertag 2017 an.) Eine solche Bagage, alle zusammen hätten verhindert, dass Great Britain seine Chancen wahrnehmen konnte, um „Global Britain“ werden zu können. Um die Wirtschaft wirklich „befreien“ und entfesseln zu können!
Diese Sichtweise verdient einen Einschub: „Was haben 40 Jahre Neoliberalismus den USA und dem Vereinigten Königreich gebracht?“ Unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher fand der Neoliberalismus seine berühmtesten Anhänger! Er bekämpfte Problematiken der 1970er Jahre! Die USA mußten damals den „Goldstandard“ aufgeben, Großbritannien benötigte (wie Griechenland nach 2012) Kredite vom WWF.  Beide Staaten konnten ihre hegemonialen Absichten nicht mehr auf eine funktionierende Wirtschaft stützen! Ein drohender Bankrott weckt die Kräfte der Kreativität.
Vordergründig erlebten beide Staaten Jahrzehnte der „Befreiung der Wirtschaft von den Fesseln des Bösen“ und Jahrzehnte  des Wirtschaftswachstums.  In beiden Staaten ist die Finanzwirtschaft dereguliert. Vermögen und Einkommen sind sehr unterschiedlich verteilt. Die Finanzkrise, die gerade Kontinental-Europa so sehr getroffen hat, nahm dort ihren Anfang. Industrieleistungen sind in beiden Staaten weiterhin statistisch erfassbar. „The Housing Market“ bestimmt entscheidend die Finanzkraft von Privathaushalten dort und basierte bis zu Beginn der 1990er Jahre auf höchst intelligenten – aber staatlich regulierten und abgesicherten –  Finanzdienstleistungen. Die Verschuldung beider Staaten und die Verschuldung gerade der privaten Haushalte in beiden Staaten ist weiterhin überbordend! Verkürzt gesagt haben in Angelsachsien Schulden das Wachstum finanziert. Hat sich in den USA irgendetwas für den „Rusty Belt“ positiv verändert? Die Industrie in the UK wurde von „Foreigners“ angesiedelt und zielt auf den Gemeinsamen Markt der EU ab. War der Thatcherism die Basis dafür? Oder eher der Beitritt zur EWG?
Man darf daran zweifeln, dass „Cool Britain“ oder „Global Britain“ oder selbst die USA mittlerweile auch nur ansatzweise industrielle Kapazitäten haben, die einem Vergleich mit China, Süd-Ost-Asien oder der EU standhalten können.
Rhetorisch gefragt. Wenn 40 Jahre Neoliberalismus solche Früchte tragen, warum dann damit weitermachen?
Genau in eine solche Richtung wollen die Brexiteers nun frohen Mutes marschieren. Ihre optimistischen Zukunftsvisionen sind schlicht, jedenfalls nur per „Spin“ nachvollziehbar:
Froher Mut gehört immer dazu. In the UK ist der Anteil der Landwirtschaft an der Wirtschaft gering. Ungefähr 1-2%. Der Anteil der Industrie liegt bei stolzen 10%. Und die anteiligen Industriebereiche Militär, Pharmazie, Automobil, Chemie … sind wettbewerbsfähig. Insbesondere ist es jener Teil, welcher als Zulieferer in die „Europäische Fertigungsindustrie“ eingebunden ist! Eine Europäische Fertigungsindustrie mit ‚supply chains‘ hat sich seit 1992 (Maastrichter Verträge) entwickelt und ist real, ohne das dies in europäischen Staaten bewußt wahrgenommen würde.
Die Brexiteers faseln tatsächlich vom Empire 2.0 und der „Angelsächsischen Hemisphäre“! Und sie ergötzen sich an einem Bild: „Singapoor at the Themse“. Oder sie ergötzen sich an den Möglichkeiten, die der Handel mit Neuseeland oder Australien bieten könne.
"Ja" es werde zu „Problematiken“ kommen! Aber „Global Britain“ könne funktionieren:
Man müsse „in Vorleistung“ gehen und alle (!) Einfuhrzölle drastisch senken oder schlicht abschaffen UND die Unternehmenssteuern ‘gen Null absenken! Neu-Seeland habe das erfolgreich vorgemacht, in den 1990er Jahren. Man müsse sich in der WTO engagieren, damit sich dort die Politik ändere.
Landwirtschaft und  Industrie seien nicht relevant. Im Dienstleistungsbereich müsse man „neue Ideen“ und „neue Kooperationen“ mit der EU eingehen! Der Verlust des Binnenmarktes und der Passport-Rechte sei  schlecht … und sei so nicht geplant … gewesen! Aber! Wo bleibe der Optimismus? Und die EU überhaupt? Spielverderber! Und an allem Schuld, wenn der Brexit nicht klappen könne… Ein paar „Spins“ müßten für eine solche Sichtweise ausreichen.
Für Arbeitnehmer in the UK sollen Wunderträume wie „Singapoor an der Themse“, bedeuten, dass es zugespitzt keinerlei Zölle und keine Unternehmenssteuern mehr geben soll. Jede Einfuhr von Lebensmittel seie in Zukunft unglaublich preiswert! Das Glück liege auf der Straße.

China exerziert allerdings das komplette Gegenteil! ...

Keine "nicht gewählte EU-Bürokraten" sollen "den freien Markt" und den "freien Handel" aufhalten können? Der "Civil Service" in the UK ist auch nicht 'gewählt', hat aber dennoch ein paar Aufgaben zu erledigen. In the UK gibt es knappe 390.000 Civil Diener, in der EU ungefähr 80.000.

Die britische Industrie würde einen Brexit nicht überleben. Kein Sozialstaat wäre finanzierbar, kein NHS! Nur der Import von „Whatever“ wäre frei von Zöllen! Und die Fertigungsketten zur EU? Die wären gekappt! Aber, britische Bürger könnten dann halt zollfrei chinesische Autos kaufen. Oder sich in Zukunft im Bereich der AI, der Artificial Intelligence global hervortun.
Die Briten werden viel Spass haben. Für mich wiederholt sich hier  Geschichte! Thatcher: „There is no such thing as society?“  
Ich hatte mir vor Weihnachten 20 Links zusammengestellt und war dann ab dem Abend des zweiten Weihnachtstages am Mäandern in meiner Suche. Eine erschütternde Realität tat sich auf. Die meisten Brexiteers entstammen der Oberschicht oder werden aus der Oberschicht oder von Russen, angelsächsischen Liberitären oder als Members of the European Parliament finanziell abgesichert! 

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