Donnerstag, 16. Juni 2016

17. Außenpolitische Jahrestagung – „Europa in einer friedlosen Welt“



Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 16.06.2016

Krise ist in Europa das Wort der Jahre! Und so waren die Erwartungen heuer an die hochkarätig besetzte Runde der eingeladenen Redner hoch.

Und man wurde als Zuhörer nicht enttäuscht. Geopolitik ist wieder angesagt. Und zwar die Geopolitik von 1900, als das Britische Empire und das Zarenreich ihre Einflußzonen z. B. für Persien deklinierten. Und die Europäische Union? Sie wird weiter bestehen und den Brexit überstehen. 

Angela Merkel 2013 (cropped).jpg
"Angela Merkel" (Quelle: Wikipedie /
Source: Alenka Bratušek /
Creative Commons Attribution 3.0 Unported)
Die Einführung hielt als Vorstand der Böll-Stiftung Ralf Fücks. Ja, vor zehn Jahren strotzte Europa noch vor Selbstbewußtsein. Die hausgemachte Finanzkrise, die Eurokrise sie waren nicht vorstellbar. Europa war ein seliger Kontinent, dessen Softpower wirkte. Heute ist die Europäische Union von Krisenherden im Süden und Osten gerahmt. Im Inneren tobt eine Auseinandersetzung um die eigenen Werte der Demokratie und der Freiheit. „Das ist nicht nur ein Problem der AfD.“ Es geht um einen „Kulturkampf“, um eine „Krise des Westens“. Dem Streben Putins, Europa quasi in Interessensphären aufzuteilen a la „Jalta II“ sei entschlossen und auch militärisch entgegen zu treten. Einer „Geopolitik“ kann man nicht mit „Postnationalem“ widerstehen.

Die amerikanische Politologin Dr. AngelaStent warb politisch charmant darum, die gemeinsamen Werte, Europa und die USA verbinden, anzuerkennen. Putins Sicht auf die Welt und Putins Verständnis „von (territorialen) Grenzen“ seien von dessen Vorstellung hinsichtlich der Souveränität von Staaten geprägt. Laut Putin gebe es nur drei souveräne Staaten auf dem Planeten: „Russland, China und Indien“. Putin erwarte / ersehne ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union. Deren Strahlkraft nach Außen sei ungebrochen. Um der EU beitreten zu können, dafür seien in der Ukraine Menschen auf die Straße gegangen und auf dem Maidan erschossen worden. Die Ukraine brauche eine Beitrittsperspektive. Tatsächlich stehe momentan Deutschland als funktionierendes Beispiel für Softpower im Vordergrund, nicht die EU. Frage man Präsident Obama, wer seine wichtigsten Ansprechpartner international wären, dann seien dies an erster Stelle „Angela Merkel“ und an zweiter Stelle „Angela Merkel“. Es scheint, als hätte Europa immer noch keine Telefonnummer aus Brüssel.



Die indische offizielle Sicht der Welt zeigte Dr. C. Raja Mohan auf. Seine Weltsicht strotzt vor Geopolitik. Europa ist eine „middle power“. Könne die EU ihre Rolle nicht erfüllen, würde die Verantwortung „for Germany“ zunehmen. In Eurasien gibt es verschiedene Mächte. Eine davon sei Russland. Mit denen müsse man sich hinsichtlich der Ukraine und der Krim schlicht einigen. Punkt! Als Abschiedsgruß an Deutschland: ein „Good Luck“ ohne jegliche Mimik!

Als Verantwortlicher der „MünchnerSicherheitskonferenz“ ist Botschafter Wolfgang Ischinger für jede Tagung als Teilnehmer eine echte Nummer! Seine Aussagen brachte er ebenfalls mit professionellem Charme an Mann und Frau. Brexit hin oder her, die Europäische Union sei keinesfalls „am Ende“. Ihre Anziehungskraft nach Außen sei weiterhin enorm. Innerhalb Europas sieht er „allgemeinen Frust“. Die EU werde in Teilen der Bevölkerung nicht mehr als Teil der Lösung sondern als „Teil des Problems“ angesehen. Ähnlich wie Angela Stent attestiert Ischinger den USA eine ambivalente Haltung gegenüber Bestrebungen Europas, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu vereinbaren. Da „war man in Europa schon mal weiter“! Mitte der 90er Jahre habe man mit Großbritannien und Frankreich über „Mehrheitsentscheidungen“ verhandelt. The UK hätte seine Haltung seither negativ revidiert, die USA hingegen hätten ihre Einstellung ebenfalls „enorm verändert“, allerdings zustimmend. Ischinger sieht gleichzeitig und gerade in Deutschland einen Anti-Amerikanismus, der „stärker denn jeh“ sei.

Der menschlich zutiefst integere Tom Koenigs vermisste ein gemeinsames Entwicklungsministerium der Europäischen Union.

Für Moderatorinnen und Moderatoren gelten übrigens Grundregeln. Man soll sich selbst zurück nehmen, nicht mit eigener Expertise glänzen. Frau soll die Regeln der Diskussionsrunde sicherstellen. Mann nicht dem eigenen Chef huldigen.

Ré­su­mé? Es gibt eine Schwächung der Macht „des Westens“. Diese zeigt sich darin, daß gerade China relativ und dabei extrem an wirtschaftlicher und militärischer Stärke gewinnt. Dies führt mental zu Selbstzweifeln auch in den USA, aber vor allem in der Europäischen Union. Geopolitik ist in Eurasien, bei Putin und bei Abgeordneten der Konservativen Partei in the UK wieder en vogue. Für Deutschland gilt, daß es seine Möglichkeiten nur für und innerhalb der Europäischen Union finden kann. Führt Deutschland die EU, so begibt es sich auf einen „Holzweg“.

Morgen geht es weiter. Dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Grins!

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