Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 16.06.2016
Krise ist in
Europa das Wort der Jahre! Und so waren die Erwartungen heuer an die hochkarätig
besetzte Runde der eingeladenen Redner hoch.
Und man wurde als Zuhörer nicht enttäuscht. Geopolitik ist wieder
angesagt. Und zwar die Geopolitik von 1900, als das Britische Empire und das Zarenreich
ihre Einflußzonen z. B. für Persien deklinierten. Und die Europäische Union? Sie wird
weiter bestehen und den Brexit
überstehen.
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"Angela Merkel" (Quelle: Wikipedie / Source: Alenka Bratušek / Creative Commons Attribution 3.0 Unported) |
Die Einführung hielt als Vorstand der Böll-Stiftung Ralf Fücks. Ja, vor zehn Jahren
strotzte Europa noch vor Selbstbewußtsein. Die hausgemachte Finanzkrise, die
Eurokrise sie waren nicht vorstellbar. Europa war ein seliger Kontinent, dessen
Softpower wirkte. Heute ist die Europäische Union von Krisenherden im Süden und
Osten gerahmt. Im Inneren tobt eine Auseinandersetzung um die eigenen Werte der
Demokratie und der Freiheit. „Das ist nicht
nur ein Problem der AfD.“ Es geht um einen „Kulturkampf“, um eine „Krise des Westens“. Dem Streben
Putins, Europa quasi in Interessensphären aufzuteilen a la „Jalta II“ sei entschlossen
und auch militärisch entgegen zu treten. Einer „Geopolitik“
kann man nicht mit „Postnationalem“ widerstehen.
Die amerikanische Politologin Dr. AngelaStent warb politisch charmant darum, die gemeinsamen Werte,
Europa und die USA verbinden, anzuerkennen. Putins Sicht auf die Welt und
Putins Verständnis „von
(territorialen) Grenzen“
seien von dessen Vorstellung hinsichtlich der Souveränität von Staaten geprägt.
Laut Putin gebe es nur drei souveräne Staaten auf dem Planeten: „Russland, China und Indien“. Putin
erwarte / ersehne ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union. Deren
Strahlkraft nach Außen sei ungebrochen. Um der EU beitreten zu können, dafür
seien in der Ukraine Menschen auf die Straße gegangen und auf dem Maidan
erschossen worden. Die Ukraine brauche eine Beitrittsperspektive. Tatsächlich
stehe momentan Deutschland als funktionierendes Beispiel für Softpower im
Vordergrund, nicht die EU. Frage man Präsident Obama, wer seine wichtigsten
Ansprechpartner international wären, dann seien dies an erster Stelle „Angela Merkel“ und an zweiter
Stelle „Angela Merkel“. Es
scheint, als hätte Europa immer noch keine Telefonnummer aus Brüssel.
Die indische offizielle Sicht der Welt zeigte Dr. C. Raja Mohan auf. Seine Weltsicht strotzt vor
Geopolitik. Europa ist eine „middle power“.
Könne die EU ihre Rolle nicht erfüllen, würde die Verantwortung „for Germany“ zunehmen. In Eurasien
gibt es verschiedene Mächte. Eine davon sei Russland. Mit denen müsse man sich
hinsichtlich der Ukraine und der Krim schlicht einigen. Punkt! Als
Abschiedsgruß an Deutschland: ein „Good Luck“
ohne jegliche Mimik!
Als Verantwortlicher der „MünchnerSicherheitskonferenz“ ist Botschafter Wolfgang Ischinger für jede
Tagung als Teilnehmer eine echte Nummer! Seine Aussagen brachte er ebenfalls
mit professionellem Charme an Mann und Frau. Brexit hin oder her, die
Europäische Union sei keinesfalls „am Ende“. Ihre Anziehungskraft nach Außen
sei weiterhin enorm. Innerhalb Europas sieht er „allgemeinen
Frust“. Die EU werde in Teilen der Bevölkerung nicht mehr als Teil
der Lösung sondern als „Teil des
Problems“ angesehen. Ähnlich wie Angela Stent attestiert
Ischinger den USA eine ambivalente Haltung gegenüber Bestrebungen Europas, eine
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu vereinbaren. Da „war man in Europa schon mal weiter“!
Mitte der 90er Jahre habe man mit Großbritannien und Frankreich über „Mehrheitsentscheidungen“ verhandelt.
The UK hätte seine Haltung seither negativ revidiert, die USA hingegen hätten ihre
Einstellung ebenfalls „enorm verändert“, allerdings zustimmend. Ischinger
sieht gleichzeitig und gerade in Deutschland einen Anti-Amerikanismus, der „stärker denn jeh“ sei.
Der menschlich zutiefst integere Tom Koenigs
vermisste ein gemeinsames Entwicklungsministerium der Europäischen Union.
Für Moderatorinnen und Moderatoren gelten übrigens Grundregeln. Man soll
sich selbst zurück nehmen, nicht mit eigener Expertise glänzen. Frau soll die
Regeln der Diskussionsrunde sicherstellen. Mann nicht dem eigenen Chef huldigen.
Résumé? Es gibt
eine Schwächung der Macht „des Westens“. Diese zeigt sich darin, daß gerade
China relativ und dabei extrem an wirtschaftlicher und militärischer Stärke
gewinnt. Dies führt mental zu Selbstzweifeln auch in den USA, aber vor allem in
der Europäischen Union. Geopolitik ist in Eurasien, bei Putin und bei
Abgeordneten der Konservativen Partei in the UK wieder en vogue. Für
Deutschland gilt, daß es seine Möglichkeiten nur für und innerhalb der
Europäischen Union finden kann. Führt Deutschland die EU, so begibt es sich auf
einen „Holzweg“.
Morgen geht
es weiter. Dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Grins!
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