Mittwoch, 19. September 2018

Kleine Verfassungslehre - der "Verbändestaat"


Manchmal ist es furchteinflößend, den Strukturen der Bundesrepublik Deutschland beim „Wirken und Werkeln“ zuschauen zu müssen. Parteien und Verbände haben ihre ganz eigene Sichtweise auf unsere Verfassung. Das hat Auswirkungen.
Die Bundesrepublik Deutschland wird in den Politikwissenschaften gerne als „Parteienstaat“ oder auch als „Verbändestaat“ bezeichnet. Beide Bezeichnungen haben ihre Berechtigung. Beiderlei Begrifflichkeiten verweisen darauf, dass nicht alle Anliegen gleich behandelt werden.
File:SpaceX’s Falcon 9 Rocket & Dragon Spacecraft Lift Off.jpg
"Die Zeiten ändern sich für uns alle!
'SpaceX’s Falcon 9 rocket and Dragon spacecraft lift off from Launch Complex-40 at Cape Canaveral Air Force Station, Fla., at 10:43 a.m. EST, Wednesday, Dec. 8, 2010.
/ Author NASA/Tony Gray and Kevin O'Connell
/
public domain because it was solely created by NASA
Laut Grundgesetzwirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. Das hindert diese nicht daran, den gesamten politischen Raum einnehmen zu wollen. Parteien sehen deswegen ein ureigenes Ziel darin, bestimmen zu können, wohin Steuergelder fließen sollen.
Manchmal werden sogar einzelne Familien gefördert: Sonderbarerweise gehören heute „52,2 Prozent der Stimmrechte bei Volkswagen der Porsche Automobil Holding“ und damit den Familien Piech und Porsche. 1961 waren 60% der Volkswagenaktien an Bundesbürger verkauft worden! So kann die Wirkweise des Parteienstaates sich ändern.  
Schon 1980 erschien in Der Zeit ein wunderbarer Artikel über den bundesdeutschen Verbändestaat. Die „Mitwirkung und Einbeziehung ('Inkorporierung') gesellschaftlicher Großgruppen“ wurde als Problem beschrieben. Heute gibt es den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, der sich als Vertreter der Schwachen unserer Gesellschaft versteht. Eine seiner Mitgliedsorganisationen ist der Deutsche Kinderschutzbund. Die Namen sind den meisten Bundesbürgern durchaus bekannt. Und vom Wohl- und Grundgefühl her werden beide Einrichtungen alleine schon wegen der Namensgebung als höchst seriös eingeschätzt.
Dem Bürger ist nicht bewußt, dass diese Verbände von der Rechtsform her meist schlicht Vereine sind, die den Status ihrer Gemeinnützigkeit nicht von Gott sondern vom zuständigen Finanzamt bescheinigt bekommen.
Wer die Arbeit gerade der beiden genannten Verbände vom Arbeitsansatz her kritisch hinterfragen will, der muss sich nicht anstrengen. 

Zu Recht kann man dem Paritätischen Wohlfahrtsverband eine starke Parteinähe vorwerfen. Arbeiten beim Deutschen Kinderschutzbund auch Männer in der Geschäftsstelle des Gesamtverbandes? Ist der Finanzbericht des Kinderschutzbundes wirklich transparent, wenn man die Herkunft der Mittel nur zum Teil einsehen kann? Kann es sinnvoll sein, sich für die Einführung eines überausformulierten Artikels 2a im Grundgesetz einzusetzen, wenn der Artikel 2 besagt, dass jeder Mensch „das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ und „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ hat? In diesem Artikel mit Ewigkeitscharakter steht zudem, dass die „Freiheit der Person … unverletzlich“ ist.
Der „Fall Volkswagen“ gibt einen Hinweis auf ein Strukturproblem, dass Parteien, Verbände, Ministerien und „den Staat“ ganz grundsätzlich betreffen: die Aufbaustruktur, die Ablaufstruktur entstammen schlicht dem 19ten Jahrhundert.
Ganz sicher „gehört“ Volkswagen heute den Familien Piech und Porsche, weil schlaue Manager bei Porsche Milliarden investierten. Ganz sicher trugen Parteipolitiker ihr Scherflein bei, weil „wirtschaftliche Ordnungspolitik“ manchmal nur Machtinteressen dient. Vielleicht entscheidender ist aber, dass der Volkswagen-Konzern in seiner Struktur der Struktur von Parteien (und Verbänden) gleicht! Die Arbeit der Bundesministerien wird in der GGO beschrieben. Es gibt Hierarchien, es gibt Berechtigungen und Arbeitsplatzbeschreibungen. Selbst die Schriftfarben für Unterschriften werden vorgeschrieben. Bei VW ist das recht ähnlich. Deswegen konnten unterschiedliche Ebenen verschiedener Ministerien mit entsprechenden Ebenen bei Volkswagen „zielführend für die Familien Piech und Porsche“ kommunizieren.
Und beim Paritätischen Wohlfahrtsverband und beim Deutschen Kinderschutzbund gilt es, ähnliches zu erkennen. Auch hier gibt es eine Aufbau- und Ablaufstruktur, die an das 19te Jahrhundert angelehnt ist, die aber mit den heutigen Strukturen von Bundes- und Landesministerien kompatibel ist. Es ist daher nicht gewagt, eine Prognose zwecks Bewältigung des dringendsten Problems gerade dieser beiden Gemeinnützigen Einrichtungen anzudeuten! 40 Prozent der Spendeneinnahmen entstammen der Altersgruppe 70 und älter! Weil viele Vereine und Verbände aus Gründen hausinterner Dämlichkeit diese Problem seit Jahren mit Idiotie angegangen sind, droht schon in den nächsten zehn Jahren ein starker Rückgang der Spendeneinnahmen. Der Bundesbürger darf sich schon einmal freuen: Es wird eine GEZ II geben. Eine Art KEWNSFGAV. Ein „Kommunistischer Einzug, welcher nicht als Steuer funktioniert, gewissermaßen aber vorm Bundesverfassungsgericht Bestand erhalten könnte“.
Was Parteien, „der Staat“, Verbände und sicherlich Volkswagen nicht mitbekommen haben, ist, dass sich alle westlichen Gesellschaften in einem sozial-technologischem Wandel befinden. Die Graswurzeln sprießen!
Man schaue auf die Stadt Berlin! Hier sitzen "fast leider" Parteien, Bundesministerien, Verbände aber sicherlich keine Unternehmen, die auch nur ansatzweise mit Volkswagen konkurrieren könnten!
Exakt! Hier werden die Start Ups gegründet. Aufbauorganisation? Ablauforganisation? GGO? Der Begriff „Referent“? Insofern irrelevante Begrifflichkeiten als es diesen Menschen und Organisationen darum geht, Ziele schnell und pragmatisch zu erreichen!
In Berlin gründen Menschen Sozialunternehmen, um Gutes zu tun. Die alten Strukturen des Parteien-, des Verbändestaates werden nicht einmal beachtet! Ja, man muss vielleicht Steuern bezahlen, weil man die Gemeinnützigkeit nicht einmal geschenkt haben will. 

Gerade der Paritätische Wohlfahrtsverband nimmt die Gefahr noch nicht Ernst, wird aber sein Wirken ändern müssen, wenn er auch zukünftig seinen Einfluß geltend machen will!
Parteien, Verbände und „der Staat“ nehmen nicht wahr, dass sich Deutschland gerade fundamental ändert. Der Aufstieg der AfD ist auch zum Teil dadurch zu erklären, dass deren Aktivisten den sozial-technologischen Wandel sehr wohl und sehr bewußt nutzen, wenn es um den Einsatz von Technologien geht.

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