Montag, 21. Oktober 2013

Die Kirchen in Deutschland – Fundraising der besonderen Art



Deutschland ist in vielerlei Hinsicht einzigartig in der Welt. In Bayern tragen erwachsene Männer kurze Lederhosen. In Berlin wird pro Jahr ein Kubikkilometer Hundekot erzeugt. Und Bremen sollen die Frauen keine BHs tragen. Wirklich einmalig sind die Finanzierungsmöglichkeiten, die den Deutschen „Staatskirchen“ zur Verfügung stehen.

Die protestantischen Kirchen in Skandinavien oder die katholische Kirche in Italien, beide kennen eine vergleichbare Finanzierungsform wie die deutsche Kirchensteuer nicht. 

File:Julian Barrio Barrio.jpg
"Erzbischof Julian Barrio Barrio bei einem Besuch in Biberach/Riß am Jakobsweg"
(Quelle: Wikipedia / Autor: de:User:The weaver / Lizenz: GNU Free Documentation License)

Die weltweit persiflierte deutsche Gründlichkeit treibt hier Stilblüten. Die allgemeine Kirchensteuer beträgt roundabout 9% von der Einkommenssteuer und wird vom Finanzamt eingezogen. Zudem gibt es das besondere Kirchengeld, das unter Umständen von Kirchenmitgliedern erhoben wird, die nur über geringe Einkommen verfügen, und liegt bei ca. 1% des verfügbaren Einkommens. In manchen Ortskirchen gibt es zudem die Ortskirchensteuer, die in der Regel von den Kirchengemeinden erhoben werden. Beträge unter 100€ jährlich sind die Regel.

Interessanterweise zahlen letztendlich weniger als 30% der „Kirchen-mitglieder“ tatsächlich irgendeine Art von Kirchensteuer. Es ist Allgemeingut: „Man muß sparen, wo man kann!“ In Deutschland vermeidet man Kirchensteuern, indem man offiziell aus der Kirche austritt. Dies kann man nicht einfach mit einem formlosen Schreiben erledigen. Man muß diesen Schritt z. B. bei einem Amtsgericht exerzieren. Diese Hürde muß übersprungen werden.

Die Alterung der deutschen Bevölkerung schreitet voran. Daher ist es absehbar, daß die Einnahmen aus den Kirchensteuern bereits im kommenden Jahrzehnt alleine nicht mehr reichen werden, um kirchliche Aufgaben finanzieren zu können. Das Beispiel des Bischoffs aus Limburg zeigt allerdings, dass zumindest „Bischofsstühle“ noch tiefe Taschen haben müssen, wenn mal einfach so mehr als 30.000.000€ für Renovierungsaufgaben ausgegeben werden können.

Es ist dennoch und definitiv bereits heute Realität, dass Kirchengemeinden Verluste im monetären Bereich machen. Daher werden letztendlich bereits seit den 60er Jahren Anstrengungen unternommen, ein freiwilliges Kirchengeld einzupreisen.

Diese Form der Mittelgewinnung kann man definitiv als Fundraising betrachten. Das Mittel wird von den Kirchen zunehmend flächendeckend eingesetzt.

Dabei stehen schlicht und simpel zwei Zielgruppen zur Verfügung. Erstens werden die Kirchenmitglieder adressiert, die offiziell aus der Kirche ausgetreten sind. Und zweitens werden Nicht-Kirchenmitglieder adressiert.

Aus Marketingsicht ist die Vorgehensweise recht entspannt einfach. Kirchliche Anliegen genießen ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Adresslisten liegen zumindest auf lokaler Ebene in den Kirchengemeinden vor. Schon einfachste Mailing- Aktionen versprechen daher Erfolg.

Die Kirchen setzen durchaus auch Fundraiser ein. Dummerweise benötigen professionelle Fundraiser ein monatliches Einkommen, welches wiederum dem „Duktus“ vieler Kirchen widerspricht, die lieber ehrenamtlich arbeiten lassen. So mißachten Kirchen die Erfolgsmöglichkeiten guter alter Vertriebsarbeit auf das sträflichste. In den USAsieht man das anders.

Für einen monatlich entlohnten Fundraiser gibt es sicherlich keinen besseren Arbeitgeber als eine deutsche Kirchengemeinde oder einen „Bischofsstuhl“!

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