Mittwoch, 12. März 2014

Eine Mauer unter Denkmalschutz – auf dem Gelände der Schultheißbrauerei in Moabit entsteht eine Mall


Das Bezirksamt Mitte hatte eingeladen. Heute am 12.03.2014 stellte der Projektentwickler HGHI in der Heilandkirche seine neuesten Pläne zur Entwicklung des Geländes der alten Schultheißbrauerei vor. Es wurde langatmig moderiert. Der Bezirksstadtrat Bauen war auch da.

Zumindest das Bezirksamt Mitte hatte keine Mühen gescheut. Weiträumig waren im ganzen Kiez Einladungsflyer an jeden Hauseingang geklebt worden. Der Investor präsentierte seine Pläne mit Folien und erschien in Person eines äußerst höflichen Mannes in den Dreißigern mit Moabiter Wurzeln.

In Deutschland wird alles planerische Tun durch Gesetze gerahmt. Das kann völlig schief laufen wie beim Projekt Stuttgart 21. Das kann unvorhersehbar vonstatten gehen, wie bei vielen Projekten der Vergangenheit in Berlin. Und es kann zu ansehnlichen Entwürfen führen, wie in diesem Fall. 

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"Die alte Schultheißbrauerei in Berlin-Moabit"
(Quelle: Wikipedie / Autor: Elikross / Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)
Berlin hat seit dem Mauerfall einige Häutungen mitgemacht, die für viele Menschen schmerzhaft waren. Der Veränderungsdruck in der Stadt ist real. Netto wuchs die Stadt 2013 um 50.000 Bürger an. Wohnraum ist knapp. Es gibt einen Verteilungskampf zwischen gut und weniger gut betuchten Bürgern um bezahlbaren Wohnraum.

HGHI ist ein ortsansässiger Investor, der z. B. das neue Einkaufsareal am Leipziger Platz entwickelt. Investoren investieren Geld, das sie nicht auf dem Sparbuch haben. Der Kapitalmarkt liefert die Investitionsmittel und verlangt Zins und Tilgung. Ein Gewinn sollte beim Investor verbleiben dürfen. Es muß also kalkuliert werden.  Eine solche Kalkulation führte hier dazu, dass in der Moabiter Mall 20.000 qm Verkaufsfläche geplant sind. Es entstehen 410 Tiefgaragenplätze und 300 Stellplätze für Fahrräder. Ein Hotel mit 306 Zimmern soll den Komplex ergänzen. Und: Es werden genau NULL Wohnungen entstehen.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Die Bestuhlung in der Heilandkirche reichte nicht aus. Man konnte es den Wortmeldungen der Ortsansässigen all zu leicht entnehmen: Die heute so typische Angst der Berliner vor der Veränderung stand im Raum. Die alten Zeiten der Billigmieten bei erträglich niedrigen Einkommen sind Geschichte. Wer mit dem Wandel nicht Schritt halten kann, wer kein angemessenes Einkommen erwirtschaftet, dem droht Verdrängung

Die Ecke Strom- und Turmstraße ist hervorragend an das Verkehrsnetz der Stadt angebunden. Die neue Mall und andere Einkaufszentren, die in der Umgebung geplant oder bereits gebaut sind, werden Käufer anziehen, die heute nicht nebenan wohnen. Nebenan wohnt die Armut des Moabiter Ostens. Daher der Tenor so vieler Anwesender: "Sie wollen uns nicht"!

Die Politik (auch in Berlin) reagiert auf diese Angst. Deswegen wird von Bürgerpartizipation geredet und deswegen werden Informationsveranstaltungen wie die heutige unterstützt. Stuttgart 21 und die Bürgerproteste bzw. das nachfolgende Wahlergebnis dort lassen Politiker bundesweit nicht unberührt.

Eigentlich possierlich erscheint da das Hegen und Pflegen der eingangs erwähnten Mauer durch Denkmalschutz und Investor. Diese Mauer, um die es geht besteht aus Ziegelsteinen und verläuft in nördlicher Richtung von der Strom- in die Perleberger Straße. Sie ist schlicht und häßlich. Der Investor wird die Mauer erhalten, um seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit plastisch zeigen zu können. Nach dem Bauvorhaben wird sie dauerhaft schöner sein als während der Tage ihrer eigentlichen Fertigstellung.

Ich kann mir das nur dadurch erklären, daß mein Uropa selbst diese Mauer errichtet haben muß.  Ihm wird hier also ein wirkliches „Denkmal“ gewidmet. Ich zeige mich dankbar und werde eine kleine Erinnerungstafel spendieren.

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