Das Museum für Naturkunde veranstaltet schon seit Jahren beste "Forschung im Dialog" - Abende. Wissenschaftler sollen vor echten Bürgern vortragen und diese Bürger dürfen Fragen stellen.
So ein Abend kann sich für alle Seiten lohnen. Thema des Abends hier war der "Klimawandel: Biodiversität als Herausforderung und Chance". Biodiversität ist DASS Forschungsziel des Museums für Naturkunde!
Und der Begriff Biodiversität beschreibt die Vielfalt der Arten. Und die ist weltweit höchst unterschiedlich ausgeprägt. Betrachtet man einen Hektar naturbelassenen Waldes, so findet man in Sibirien exakt eine Baumart dort vor, im Regenwald Ecuadors sind es mehr als 450 unterschiedliche Baumarten pro Hektar und in Deutschland immerhin ca. 40 Arten.
Insgesamt gehen Schätzungen davon aus, dass weltweit round about 10.000.000 unterschiedliche Lebensformen existieren. 2/3 aller Arten sind tierischer Natur. Nur knappe 10% sind pflanzlich, was eigentlich irritiert, da ohne Pflanzen keine Tiere existieren können. Den Rest bilden Bakterien, irgendwelche unangenehmen Pilze und anderes Ungewöhnliche.
"Für Schleimpilze ist das Anthropözän eher ein Aufgabe!" (Quelle: Wikipedia / Autor: Dietzel / Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported) |
Der Mensch steht also quasi vor Unbekanntem! Und von diesem Unbekanntem ausgehend gehen durchaus seriöse Schätzungen davon aus, dass 80% aller Arten tatsächlich unbekannt sind. Das mag überraschen, aber nur Pflanzen sind immobil und viele Populationen sind nur in kleinsten Regionen zu finden, haben eine geringe Population und sind in ständiger Bewegung und deutlich kleiner als ein Elephant oder als ein Kolibri.
Es gibt einige Einflussfaktoren, die eine Region auf unserem Planeten eher dazu bestimmen, dass dort viele unterschiedliche Arten entstehen und leben können.
Das Nahrungsangebot sollte nicht zu hoch sein, Abgeschiedenheit hilft ungemein und von Zeit zu Zeit darf ruhig mal eine "Störung", vielleicht ein Erdbeben, ihren Einfluss verheerend gelten machen. Schlumpeter pur quasi!
Solche Einflüsse lassen es wahrscheinlicher und real werden, dass es gerade Inseln sind oder Gebirgsregionen, in denen besonders viele unterschiedliche Arten vorkommen.
Vergleicht man so z.B. das Bundesland Thüringen mit Hawaii, so kann man einen weiteren Aspekt herrlich beobachten. Beide Regionen sind geographisch gesehen annähernd gleich groß. Auch die Anzahl der beschriebenen Arten ist mit 1.100 - 1.500 ähnlich. Auf Hawaii sind aber 977 der einheimischen Arten endemisch und kommen nur dort vor. In Thüringen gibt es keine einzige Art, die nur dort vorkommt.
Schon nähert sich dieser Text langsam dem eigentlichen aber verfehlten Thema des Abends! Der Mensch!
Weltweit sterben (nach Schätzungen) bis zu 100 Arten pro Tag aus! Diese "Aussterberate" ist nicht durch den normalen Evolutionsdruck zu erklären. Der Einfluss des Menschen ist entscheidend spürbar.
Das massenhafte Verschwinden von Arten findet nicht in Deutschland statt. Stirbt in Deutschlands der Braunbär aus, so überlebt die Art doch 600 Kilometer weiter entfernt in Rumänien. Es führt in die Irre, wenn Deutsche das weltweite Massensterben der Arten mit ihrer eigenen biographischen Erfahrung verstehen wollen. Es geht nicht darum, dass Stichlinge selten zu finden, Nashornkäfer vielleicht an der Müritz existent und Blindschleichen nur extrem selten als "Kinderhack" endend sind.
Der menschliche Druck zeigt sich schon und durchaus auch hierzulande. Der die Arten tötende Druck wirkt aber im globalen Rahmen. Und er wirkt durch mindestens drei Mechanismen!
Die Anzahl der Menschen, der Individuen steigt weiterhin exponentiell an. Wer früh genug im 19ten Jahrhundert geboren wurde, der kann augenzwinkernd behaupten, dass nach ihm mehr Menschen geboren sind als (jemals) zuvor. Die meisten Menschen werden erleben, dass die Weltbevölkerung von 7.000.000.000 auf 10.000.000.000 ansteigen wird. Diese Bevölkerung muss und wird ernährt werden, indem Futterpflanzen und -tiere zu immer ertragreicheren Sorten und Arten gezüchtet werden. Immer weniger unterschiedliche Hochleistungsrinder-, Schweine- oder Hühnerrassen werden in stinkenden Ställen zwecks Fleischproduktion gemästet werden. Immer weniger aber zunehmend ertragreichere Getreide-, Mais- oder Reissorten werden die wachsende Menschheit ernähren müssen!
Die Globalisierung basiert auf dem Austausch gewaltiger Mengen von Handelsgütern. Dieser Austausch führt bereits seit 500 Jahren dazu, dass Arten ungewollt und weltweit in neue Lebensräume eingeschleppt werden. Europa hat daher weiterhin keinen Rückgang der Artenvielfalt zu befürchten. das Gegenteil ist der Fall. Es gibt zunehmend immer mehr neue Arten!
Gerade für Deutschland ist das sogar seit entspannten 2.000 Jahren ein kulturell gewollter Normalzustand. Keine unserer Nutzpflanzen stammt von hier! Kein Apfelbaum wurde hier zwecks Apfelernte kultiviert. Mais, Kartoffel, Gerste etc. stammen schon in ihrer kultivierten Vorform aus China, dem Nahen Osten, dem Mittelmeerraum oder selbst aus Amerika. Selbst die Gartenzwiebel stammt seit Roemerzeiten wahrscheinlich ursprünglich aus China!
Schlecht läuft die Globalisierung eher für das Beispiel Hawaii, wo die gewogenen Biomasse der eingeschleppten, neuen Arten mittlerweile die der endemischen Arten übersteigt. Genau diese Feststellung wird dazu führen, dass in Hawaii ein prinzipieller Effekt zu bewundern sein dürfte! Zunächst steigt durch eingeschleppte Arten die Artenvielfalt an! Danach sinkt sie deutlich!
Wie schnell sich der Einfluss einer neuen Art zeigen kann, zeigt sich am Beispiel von Gartenfreunde in Nordrhein-Westfalen! Im Jahre 2002 wurde in Neuseeland eine neue Pilzart, der "Buchsbaumpilz" beschrieben. 2004 befiel er erste Gärten in der Region Bonn!
Der durch Menschen verursachte Klimawandel tut sein übriges. Selbst eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um unter zwei Grad wird den Meeresspiegel ansteigen lassen. Ganze Inselgruppen werden verschwinden. Klimazonen werden sich verschieben. Gerade in den so wichtigen Gebirgsregionen werden die Arten keinen Ausweichen finden!
So steht zu vermuten, das unsere Enkel nicht nur weiterhin das Wachstum der Menschheit erleben werden. Sie werden vielmehr erleben, dass auch das Aussterben det Arten exponentiell verläuft.
In Deutschland wird man das allerdings nicht erfahren können. Eher wahrscheinlich ist es, dass der Stichling wieder überall angesiedelt wird. Letztendlich werden wir in 100 Jahren in der Landwirtschaft „eine genetische MC Donalds, eine genetische Starbucks-Welt vorfinden“.
Überall wird man das gleiche essen! Die Menschheit wird mit ihrer Biomasse das Gewicht aller anderen Tierarten zusammengenommen übertreffen - und die Natur mit ihren Krankheiten, mit ihren Parasiten und Fressfeinden wird einen Weg finden. Es gibt kein Ende der Evolution. Selbige benötigt einfach nur ein wenig mehr Zeit, als es heutigen Tier- und Pflanzenarten vergönnt ist!
Kein Anthropozän nirgendwo! Never ever!
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