Berlin Brandenburgische
Akademie der Wissenschaften (BBAW); 07.05.2013
„Welche Rolle kann
wissenschaftliche Evidenz in der (wissenschaftlichen) Politikberatung
sinnvollerweise spielen?“ Besser als Gert G. Wagner selbst kann man nicht
zusammenfassen, was dieser angenehme Zeitgenosse mit seinem Vortrag bei der Berlin
Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufzeigen wollte.
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Professor Wagner ist prominentes Vorstandsmitglied
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Im Rahmen der wunderbaren Vortragsreihe Wissenschaftliche Politikberatung (gemeinsam von BBAW und der Leibniz-Gemeinschaft) hat er bei den bisherigen Vortragenden gerne das Entrée für Gastredner vorgetragen. Gestern nun trug er seine eigenen Überlegungen vor.
Im Rahmen der wunderbaren Vortragsreihe Wissenschaftliche Politikberatung (gemeinsam von BBAW und der Leibniz-Gemeinschaft) hat er bei den bisherigen Vortragenden gerne das Entrée für Gastredner vorgetragen. Gestern nun trug er seine eigenen Überlegungen vor.
Dabei stellte er zwei „Paradoxien“ voran, die auch die
Vorträge der Redner in den Monaten zuvor klar beeinflußt hatten: „Wissenschaftliche“ Politikberatung ist
an sich unmöglich. Und wer Politikberatung
betreibt, verläßt den Bereich der Wissenschaft und betritt das Feld der Politik.
„Politik
und Öffentlichkeit“ würden von der Wissenschaft prinzipiell
verlangen, „unübersichtliche
Probleme gelöst“ zu bekommen.
Hierbei müsse man zwischen zwei „Typen von Entscheidungen“
unterscheiden. Es gehe einerseits um „Werturteile“ (Welches Steuersystem ist
„gerecht“?). Andererseits würden die „besten Instrumente“ zur Lösung von
Problemen gefordert (Welche Auswirkungen eines Steuersystems kann man empirisch
belegen?)
Im ersten Fall kann Wissenschaft nicht helfen. Im zweiten Fall
steht Wissenschaft durchaus vor gewaltigen (oft auch nicht überwindbaren) Hürden. Und grundsätzlich gelte, dass
Wissenschaftler selbst „nicht objektiv“ sein können. Gerade
Ökonomen unterstellten jedem Menschen „Eigeninteressen“, würden diese aber
für ihre eigene Zunft nicht gelten lassen.
Schon in vorangegangenen Vorträgen war auf die Unschärfe wissenschaftlicher Erkenntnis
hingewiesen worden. Dafür gibt es einen Begriff: „Trans Science“. Manche Probleme sind
zu einem bestimmten Zeitpunkt (In
den 1960er Jahren: „Wie statistisch sicher sind Atomkraftwerke?“) wissenschaftlich nicht gelöst. Andere
Problemfragen können grundsätzlich nicht
beantwortet werden, da man z. B. die erforderliche Datenbasis für eine empirische
Validierung nicht erfassen könne („Welche Auswirkungen hat „schwache Strahlung“
auf die menschliche Gesundheit?“).
Professor Wagner zeigt plastisch auf, zu welchen Anekdoten das führen kann und
konnte.
● In den 1960er Jahren (und heute) war es unmöglich
festzustellen, wie „sicher“
Atomkraftwerke aus statistischer Sicht sein würden. Für eine sinnvolle
Empirie hätte man viele Atomkraftwerke über einen gewissen Zeitraum oder einige
Atomkraftwerke über einen langen Zeitraum statistisch erfassen müssen.
Damals lag demnach ein Fall von „Trans Science“ vor. Wo
keine Anlage überhaupt existiert, da ist wissenschaftliche Expertise oder
Evidenz nicht vorhanden. Hier „wäre Bescheidenheit“ angebracht
gewesen. (Zumal diese nicht vorhandene
wissenschaftliche Evidenz vor Gericht bei unzähligen Prozessen in Deutschland „als
objektiv richtig“ bewertet wurde - der
Blogger!)
Der Bau der Anlagen stand damals erst an. „Wissenschaftliche
Erkenntnis“ wurde zwar einbezogen, konnte aber schlicht noch nicht vorhanden sein. Heute ist
die Empirie nach „Three Miles Island“, „Tschernobyl“ und „Fukushima“ auf diesem Gebiet ein wenig
weiter.
● Man kann Ziele
definieren, um Probleme zu lösen. Man hüte sich aber davor, die Zielerfüllung unreflektiert durch die Beobachtung
von Indikatoren überprüfen oder gar
belohnen zu wollen.
Hier nähert sich Professor Wagner irgendwie dem guten alten „Schlangen-fangen-Mysterium“ an! (Wer
Giftschlangen durch „Tötungsprämien“ ausrotten will, der fördert den Bau von
Schlangenfarmen – der Blogger.) Der Mensch handelt dann „aus
Eigeninteresse“ heraus in der Weise, dass er bei Belohnungsprogrammen nicht mehr die
Ziele verfolgt, sondern gemäß der Prämierung der Indikatoren vorgeht.
● Wagner nennt das „Benchmarking unter Schröder“ und als
„Goodhearts Law“
die Einführung des €uros (3% und
60%).
● Sein eigentliches Lieblingsbeispiel ist aber doch wohl
eher das „Handelsblatt Ranking“. Hier
würden „Mickymaus-Indikatoren“
für die Wertschätzung von Publikationen oder Einrichtungen im Bereich der
Ökonomie angewendet.
Dies sei aber in anderen Forschungsbereichen nicht anders,
Dort seien es halt „Impacts“.
(Man besuche mal die Charité und schaue
sich die Schautafeln in den einzelnen Abteilungen an – der Blogger.)
Professor Wagner läßt den Zuhörer nicht ohne „praktische Tips“ zurück:
● Was nicht erklärt werden kann, das ist mit Vorsicht zu
genießen!
● „Wissenschaftler sind keine besseren Weltverbesserer
als Politiker!“
● „Wissenschaftler sind extrem interessengeleitet,
wenn es um die … Forschungsplanung geht!“
Genau! Und hier
liegt eine kleine Schwäche seiner Thesis, die
Wagner letztendlich nicht lösen kann.
„Politikberatung
ist nicht Politikerberatung!“ Dieses Statement betont
Wagner immer wieder und versucht, dem Zuhörer vor diesem Hintergedanken
verschiedenste Ideen schmackhaft zu machen, die dann doch eine „wirklich(e)
wissenschaftliche Politikberatung“ (irgendwie) ermöglichen sollen. „Bescheidenheit“, eine „zweite Meinung“
oder ernsthaft angedient „die Einbeziehung von Laien“, das
seien mögliche Wege.
Gerade mit letzterer Idee hat er allerdings immer Recht. Die Demokratie beherrscht dankenswerterweise das Feld der
Politik.
Aber Überzeugung
ist per se halt nicht „transparent“.
Wenn es eine „wissenschaftliche“ Politikberatung eh nicht geben kann, dann
kommt es auf Meinungen an!
Hier sei an das ebenfalls in dieser Reihe vorgetragene
Statement von Herrn Leif erinnert: „Politik(er)beratung
ist immer Lobbyismus“!
Genau letzteres Zitat zeichnet aber die Wahrnehmung von Politikern gegenüber allen „Beratern“ am
besten. Nur persönliche Beziehungen
können diese Hürde überwinden. Nur langjährige
Kontakte (und damit letztendlich doch Lobbyisten-Ansätze) können hier helfen.
Oder anders gesagt: „Politikberatung“
findet vielleicht auf Referentenebene in den Ministerien statt. „Politikerberatung“
zielt persönlich auf Minister oder Kanzler(kandidaten) ab. Where could be the beef?
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