Freitag, 3. Mai 2013

II Joschka Fischer kommentiert die Problematik der Europäischen Union – eine Replik


Auf die Süddeutsche Zeitung (SZ)  vom 02.05.2013

Wenn "Weltenlenker" schreiben, dann muß man immer hinterfragen! Immerhin engagiert die Süddeutsche Zeitung nur extrem selten einen George Soros.

File:Illustration Das Volk im Zukunftsstaat 1904 001.jpg
"Der Wunschstaat" (Quelle: Wikipedia / Lizenz: public domain / Autor: Friedrich Eduard Bilz)
 
1) Die Finanzkrise betrifft den gesamten Westen. Es betrifft die USA, Japan ganz extrem und Europa ebenfalls.

Innerhalb der Europäischen Union waren baltische Staaten betroffen. The United Kingdom erlebt den „triple dip“ bei enormer Neuverschuldung des Staates trotz Austerity. In der Eurozone betrifft es viele Randstaaten, und nicht allein den Süden. Island (immerhin Mitglied der EFTA) ist obendrein ebenfalls betroffen.

Das Problem ist also kein Problem der Eurozone alleine! Bei den Krisenstaaten in Europa zeigt sich das allerdings extrem und drastisch. Alleine schon deswegen, weil die meisten dieser Exponenten schon vor ihrem Beitritt zur EU nicht konkurrenzfähig waren und die Möglichkeiten der Transferunion und des Binnenmarktes nachfolgend nicht ausreichend genutzt haben oder schlicht mangelhafte staatliche und demokratische Strukturen beibehalten haben. Der Beitritt zur EU bedeutet eigentlich Ansporn und Arbeit zugleich. Schafft nicht jedes Land und kann Ärger bereiten wenn parallel die BRICs an den Start gehen!

Vor diesem Hintergrund muß man feststellen, dass EU, ECB oder IMF schlicht das Beste aus einer Situation machen, die durch zwei Elemente gekennzeichnet wird: Der Westen befindet sich weiterhin in einer „(rein westlichen) Weltwirtschaftskrise wie 1929“. Der Westen ist aber nicht mehr die Welt an sich! Herr Fischer sollte seinem Idol Helmut Schmidt folgen und China verehren ?!??


2) Das „alte System“ bestand in Europa aus mindestens drei Elementen. Konkurrenz, Bilden von Koalitionen zwecks Austarieren der Kräfteverhältnisse.

Die Europäische Integration dient ausschließlich dem Ziel, diese Mechanismen friedvoll, mit einem Rechtsrahmen und möglichst viel demokratischer Kontrolle weiter beizubehalten. Alles andere ist Illusion. 

Die Grundprinzipien des alten Systems blieben die Grundprinzipien des neuen Systems.

Und die Europäische Union ist schlicht keine einheitliche Nation. Sie ist eine neue Art von Staatenbund, die keinen Volkssouverän hat, der als solcher vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht momentan bestehen könnte!

Dennoch hat die Europäische Union Strukturen, Mechanismen und eine "staatliche" Organisationsstruktur. Es gibt Mehrheitsentscheidungen und gewählte "Völkervertreter". Insofern existiert längst eine europäische Politikebene, die schlicht ihre Arbeit recht gut erledigt.



3) Die Krise betrifft nicht explizit die südeuropäischen Krisenstaaten, sondern grundsätzlich sogenannte Nachzüglerstaaten

Mittlerweile wird ja sogar einem paraperversem Staatswesen wie Serbien bescheinigt, dass es eigentlich EU-beitrittsreif sei! Ursprünglich war das mal anders angedacht. Und ursprünglich hatte das System der Erweiterungsbemühungen der EU auch mal sehr gut funktioniert.

Beitrittsstaaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland konnten ihre demokratischen Strukturen festigen. Das hat allerdings nicht immer in allen Details geklappt.

The United Kingdom oder Irland oder Island (Freihandelszone) hatten Zugang zum gemeinsamen Markt und bauten neue, auf die eigene Nation ausgerichtete, Industrien auf. Das war so unintelligent nicht – bis mehrere Finanzblasen gleichzeitig platzten.

Deutschland hat allen aufgenommenen Staaten immer geholfen. Deutschland steht den Nachzüglerstaaten auch jetzt und in Zukunft mit Milliarden-Bürgschaften zur Seite, die unsere eigene Staatsverschuldung extrem verschlimmern können. Allerdings gilt das HartzIV-Prinzip "Fordern und Fördern". Dieses Prinzip bereitet weder Bürgern noch Staaten oder Weltenlenkern Freude.



4) Was soll man eigentlich machen, wenn man in einer „rein westlichen Weltwirtschaftskrise“ steckt?

Was soll man machen, wenn diese Krise durch eine staatliche Verschuldungspolitik gekennzeichnet ist, die der Westen zwar seit Jahrhunderten kennt, allerdings während all dieser Jahrhunderte vorher in diesem Ausmaße nur zu Kriegszeiten?

Was macht man obendrein mit einer Innovationsschwäche im Vergleich zu den BRICs, die zudem zeitgleich mit einer Blasenbildung im Immobilienbereich oder vielleicht bald an den Börsen einhergeht?

Da kann man vernünftigerweise nicht einfach alte Rezepte weiter verfolgen. Ein Drogenabhängiger, ein Alkoholiker würde so weitermachen: "Morgen muß ich nochmal saufen, dann geht es mir besser, ich kann dann sicherlich an mir arbeiten und übermorgen höre ich dann auf"!

Ein Weltökonom wie George Soros, leider Gastkommentator der halben Welt, wird Austerity immer widersprechen! Das sollte allerdings niemanden schrecken.

Leider führt an Wettbewerb, Chancengleichheit und einer gehörigen Portion an staatlicher Sauberkeit und Strukturiertheit kein Weg vorbei! Das ist das "Deutsche HartzIV-Rezept" zur Bewältigung der Krise.

Den benötigten Druck kann kein deutsches Parlament und keine Deutsche Bundeskanzlerin mindern. Deutsche Bürger haben keine britishen oder griechischen Parlamentarier jemals gewählt!



5 und 6) Erneut: Bundesbürger wählen höchst selten bei Parlamentswahlen in Griechenland, Spanien oder the UK mit.Was dort beschlossen wird, ist deren Bier.

Es gibt momentan keinen Europäischen Souverän, es gibt keine europäische Nation. Natürlich ist die Europäische Integration Realität. Solange ein "Europäisches Volk" nicht wirklich real existierend ist, können auf EU-Ebene all die Strukturen nicht eingerichtet werden, die demokratische Rechte der Nationen undemokratisch einschränken.

Bankenunion? Ja! Wenn es vertraglich, und zwar zwischen den Einzelstaaten verhandelt werden kann!


Fiskalunion? Nein! (Da könnte ich allerdings glatt in mein Kopfkissen weinen! Das wäre mein Traum! Ich möchte die Steuer- und Abgabenlast von the UK haben!) "Nein" also deswegen, weil die Festlegung der Besteuerung ureigenste Aufgabe der Parlamente von Nationalstaaten ist.

Das sieht ein deutsches Finanzministerium wohl ganz anders als ein italienisches oder ein finnisches

Allerdings könnte es sich lohnen eine Steuer zu benennen, die die Europäische Union selbst erheben könnte. Bei einer doppelten Mehrheitspflicht von 60% (Anzahl der Staaten und Anzahl der Bürger) wäre das eine Möglichkeit, das EU-Parlament zu stärken. 

Politische Union? Ist vorhanden! Mehr geht eh nicht! Der Entwurf für eine EU-Verfassung zwecks einer stärkeren (und a bisserl demokratischeren) Integration Europas wurden per Volksentscheid in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt! Warum wohl? Weil das „alte Europa“ und die Nationen weiterhin existieren! Es ist erlaubt, dass the United Kingdom "plant", die EU zu verlassen und zur EFTA zu wechseln. Und es war sehr frustrierend, den Iren mehrmals bei deren Abstimmung über den Lissabon-Vertrag zusehen zu müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausreichend deutlich gemacht, dass eine weitere Integration auf europäischer Ebene in Deutschland höchstwahrscheinlich ein Referendum voraus setzt. Recht gouvernantenhaft wurde dem Deutschen Bundestag auferlegt, im Prinzip jedem einzelnen europäischen Rettungspaket oder -plan zustimmen zu müssen.


Fazit:

Die Europäische Union ist mittlerweile sicherlich ein Staatswesen unbekannter Art, das tatsächlich mehr ist als nur eine Union von Nationalstaaten! Die Krise ist eigentlich eine Krise des Westens insgesamt! Joschka Fischer tut so, als beträfe es nur die EU oder die Eurozone. Eine weitergehende Integration innerhalb Europas würde seiner Meinung nach helfen. Warum dem so sei, das kann er nicht benennen. Wie das überhaupt gehen soll? Fragezeichen!

Ausblick:

Nichtsdestotrotz! Wir sind längst mitten drin in einem Europäischem Bundesstaat und erleben längst die Friktionen, die in den USA schon immer die Politik bestimmt haben.

Da Europa aber weiterhin deutlich heterogener bleiben wird als die USA, können wir selbst niemals besser bewältigen, was die Amis selbst heute nicht können!

Wir stecken aber längst in einer europäischen Innenpolitik, die Eigeninteressen der Nationalstaaten klar weiterhin als sehr mächtig erleben darf. Wir merken das aber nicht, weil wir einer Utopie nachweinen.

Wenn man den Dissenz, der zwischen den Interessen einer Bundesebene und einer Staatenebene besteht, betrachtet, dann kann man gerne auf die USA schauen! Die Argumente dort gleichen denen, die hier in der EU ausgetauscht werden, sehr deutlich.

Also schaun ma ma, was in den USA geht oder nicht geht:

Texas haftet nicht für Schulden von Kalifornien! Die Union übernimmt ebenfalls keine Schulden der Einzelstaaten! Kalifornien hat allerdings bei einer Aufnahme von Schulden die gleiche Bonität wie der Gesamtstaat.

Auch das Land Berlin hat übrigens seinerseits die gleiche Bonität wie die Bundesrepublik. Beides ist sicherlich angenehm. Beides ist aber sicherlich nicht nachvollziehbar! Innerhalb der EU wird das nicht funktionieren, da die EU keine Nation ist!

"Die Märkte" können nicht gegen Kalifornien oder das Land Berlin wetten. Sie können aber immer gegen Estland oder meinetwegen Deutschland wetten!

● Die Bundesstaaten haben häufig sehr eigenständige Verfassungen oder Regeln. Das Staatsmotto von New Hampshire ist z.B. „live free or die“! Das meinen die dort durchaus wörtlich. Man stelle sich mal die Schnappatmung deutscher Politiker oder Medien vor, wenn innerhalb Deutschlands auch nur das Land Berlin diesem Motto folgen würde! Was würden deutsche Medien schreiben, wenn Zypern oder das Land Berlin dieses Motto einführen würden?

Eine solche Schnappatmung kann man in den USA aber auch finden. Im Detail sind die USA oft viel heterogener als es Europa zu sein scheint!

Washington wird in den USA nur von den dortigen Transferstaaten geliebt, ansonsten ist es ACID. Und exakt so sieht es in der EU gleichermaßen aus. "Brüssel" ist in den Staaten der EU zum Schimpfwort geworden. In den Nehmerländern ist das normalerweise nicht so.

George W. Bush war ein Präsident, der schon vor dem Irakkrieg in Deutschland völlig unbeliebt gewesen ist. Er wurde aber in den USA nachfolgend sogar noch wiedergewählt!

In den USA gab es aber natürlich Regionen (der Nordosten, Californication) mit jeweils locker 80.000.000 Millionen Wählern, in denen Bush weder gewählt noch wiedergewählt wurde. Im Rahmen der EU hätte Deutschland gerade mal genau soviele Einwohner bei einer deutlich größeren Gesamtbevölkerung der Europäischen Union!

Silvio Berlusconi war in Italien über ein Jahrzehnt gesehen politisch extremst erfolgreich und in Deutschland zutiefst verachtet.

Was wäre, wenn dieser Mann sich in einer politischen Union (des Herrn Fischers) in Europa für die Wahl eines Präsidenten aufstellen lassen würde? Was wäre, wenn er gewinnen würde, weil die (von Fischer) adressierten „Südländer“ geschlossen abstimmen würden, um Eurobonds von den "Nordländern" einpreisen zu können?

Diesen Bunga-Bunga-Horror möchte ich meinen Kindern ersparen. Und James Cameron sieht das wohl recht ähnlich. Das sei mein Kommentar zum siebten Argument von Joschka Fischer.

Abgesehen davon hat der recht beliebte und millionenschwere Kanzlerkandidat der SPD das Thema anfänglich erörtert und dem Präsidenten von Frankreich dabei geholfen, gemeinsam die Tiefen von Umfragewerten zu ergründen. Respekt! 

Panik, Bachblüten, der Gang zum Facharzt? Alles völlig unnötig! Europa ist längst dabei, die extremen Schwierigkeiten zu überwinden! Die EU als Überbau hilft den einzelnen Staaten, Deutschland hilft. Richten müssen es die Einzelstaaten. Die baltischen Erfolge darf man da gerne mal betrachten! Sind allerdings Kleinststaaten! Es gibt Anlass zur Hoffnung!

Deutschland wird allerdings waise enden, wenn z.B. Herr Fischer sein Wording weiterhin so betreibt.

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