Samstag, 2. März 2013

Nachhaltiger Spaß beim Gründen von Firmen V – erfolgversprechende Prozessmodelle wären schon wichtig


Die Literatur beschreibt (den) Spin Off (-Prozess) als eine marktorientierte Verwertungsoption von privatwirtschaftlichen oder staatlichen Forschungsinstitutionen  ([Q-037], S. 24).

Ein systemanalytisch ausgebildeter Informatiker muss sich bei der Sichtung der in der Gründungsliteratur vorgeschlagenen Prozess- oder Phasenmodellen an die „Softwarekrise“ der 60-er und 70-er Jahre des 20-ten Jahrhunderts erinnert fühlen, so er von dieser noch Kenntnis hat. Die Systemanalyse und deren Methoden und Prozessmodelle wurden als Antwort auf diese Krise professionalisiert und strukturiert ([Q-084], S. 3-19ff)

File:Bundesarchiv B 145 Bild-F050968-0028, Mexiko, Staatsbesuch des Bundespräsidenten Scheel.jpg
"Bundespräsident Scheel demonstriert 1977 in Mexico ein erfolgreiches Vorgehensmodell - hier ist es Golfing" (Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany)
Die meisten der Prozessmodelle im Gründungsbereich lassen derartige Erkenntnisse außen vor und beinhalten als notwendige Grundbausteine eines Projektes immerhin die Analyse, die Strategie und abgeleitete Maßnahmen.

Grundsätzlich fehlen den meisten Prozessbeschreibungen das Momentum des Innehaltens und die Betrachtung der Notwendigkeit von Unterschriften.  

Die Erkenntnisse der Systemanalyse werden nicht einbezogen.

Ein Start Up- oder Spin Off – Gründungsprozess wird dem entsprechend als eine sequentielle Abfolge von Phasen beschrieben. Die Phasen sind selten detailliert beschrieben und in Quellenangaben wird aufeinander verwiesen.

Ein „Innehalten“ findet nicht statt. Jede Prozessphase benötigt als Abschluss aber eine Bewertung. Wie ist der Stand? Wurde alles betrachtet? War die bisherige Vorgehensweise ausreichend? War die Ressourcenplanung ausreichend? Sind die Meilensteine erreicht? Bleibt das Arbeitsziel fokussiert? Wäre ein Abbruch des Projektes zweckdienlich? Müssen Iterationen durchgeführt werden? Diese Fragenstellungen werden – wenn überhaupt – nur angedeutet.

Meilensteine bieten die Möglichkeit, diese Fragen zeitlich Tag-genau und inhaltlich zu klären. Am Ende einer Prozessphase oder eines Prozessschrittes muss eine Ausarbeitung in Dokumentform vorliegen. Dies kann ein Business-Plan, ein Finanzierungskonzept, ein Maßnahmenkatalog oder ein Vertragsentwurf oder ein Vertrag selbst sein.  

Und „rechtsgültig“ (sei es notariell oder betriebsintern) wird ein solches Dokument und damit eine Phase oder ein Phasenschritt oder ein Vertrag genau mit einer Unterschrift.

Pragmatisches Wissen kann hier gute Hinweise liefern, formales ebenfalls.

In der Literatur ist das folgende primitive Phasenmodell schon eines der besseren ([Q-027], S. kA):

1) Geschäftsmodellsuche: Identifizieren von Technologien mit kommerziellem Potential. Diese Phase kann aktiv geplant (siehe Full-Service- Inkubatoren) oder eher unstrukturiert durchgeführt werden.

2) Prüfung bestehender Schutzrechte: Es wird geprüft, ob Schutzrechte (Patente, Markenrechte etc.) vorliegen und verletzt werden können oder ob für die Gründung solche Schutzrechte erworben werden müssen. In dieser Phase wird geprüft, welche Form der kommerziellen Verwertung angemessen ist. Lizensierung, Patentverkauf oder eine Firmengründung bieten sich als Alternativen an.

3) Potentialprüfung: Welches Marktpotential liegt vor? Kann man Vergleiche zu bestehenden Projekten ziehen und Rückschlüsse bilden?

4) Businessplan-Erstellung: Die Entwicklung eines Businessplans dient der intellektuellen Durchdringung der Problemstellung. Im Detail werden Geschäftsmodell, Ressourcen und insbesondere Finanzierungs- und Rechtsfragen analysiert und niedergeschrieben. Der Businessplan selbst beschreibt die zu gründende Firma (irgendwie) vollständig.

5) Mittel-Akquise: Finanzmittel und andere Ressourcen werden für die Gründung eingeworben.

6) Formale Gründung: In dieser Phase werden die Vorüberlegungen in eine Gründung überführt. Die Firma wird angemeldet. Finanzierungsverträge, Arbeitsverträge, Lieferantenverträge etc. werden unterschrieben.

Selbst der Laie kann erkennen, dass derartige von Akademikern erarbeitete Vorgehensempfehlungen nicht weit tragen.

Daher sollten Akademische Gründer immer auf den Sachverstand außerhalb universitärer Inkubatoren bauen!


Quellen:

[Q-027] – Clarysse Bart: “SPINNING OUT NEW VENTURES: A TYPOLOGY OF
INCUBATION STRATEGIES FROM EUROPEAN RESEARCH INSTITUTIONS”; 2004;
keine Seitenangaben

[Q-037] – Gassmann, O.: “Technologieverwertung durch Spin-off“; 2003

[Q-084] – Krallmann, Herrman: “Vorlesungsskript Systemanalyse I“; 1988;
Technische Universität Berlin

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