Samstag, 15. Juni 2013

Baustelle Demokratie – Mit den Bürgerinnen und Bürgern planen



Heinrich-Böll-Stiftung; 15.06.2013

Die staatliche Verwaltung, die Exekutive, greift mit ihren Maßnahmen direkt in das Leben von Bürgern ein. Da geht es um die Schulen, um den Straßenbau um öffentliche Schwimmbäder oder, oder, oder.

Es ist höchst unangemessen, wenn Bürger nach 20 Jahren Planungszeit auf die Straße gehen, weil ihnen der Bahnhof Stuttgart 21 unplausibel vorkommt oder sie an den Planungen schlicht nie beteiligt waren. Wie reagiert die Verwaltung auf kommunaler oder Landesebene

File:Berlin BAB 100.svg
"Straßenbau in Berlin - Die A100" (Quelle: Wikipedia; Author: Alexrk2, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)
Moderatorin Susanne Walz erwies sich als Glücksgriff. Der Workshop wurde in Arbeitskreise aufgeteilt. Die eingeladenen Referenten konnten ihre Spezialthemen darlegen. Jeder Arbeitskreis hatte ca. 30 Minuten, um mit jeweils einem der Experten zu diskutieren und Ergebnisse festzuhalten. Dieses Konzept funktionierte.

Petra Patz-Drüke vom Bezirksamt Berlin-Mitte stellte das Konzept der Stadtteilkonferenzen vor, die es erst seit 2011 gibt. Stadtteile im Bezirk Mitte haben ca. 30.000 Einwohner (von 300.000 Einwohnern insgesamt). Akteure vor Ort werden gezielt eingeladen. Handlungsfelder sind der „öffentliche Raum“ und die „Nachbarschaft“. Als wesentliche Erkenntnisse wurden erarbeitet:

● Eine Bürgerbeteiligung sollte auch nach den Stadtteilkonferenzen erfolgen.

Rechte, Ziele und Rollen müssen vorab klargestellt werden, damit der Bürger weiß, wie weit sein Entscheidungsspielraum überhaupt gehen kann.

● Für eine erfolgreiche Beteiligung muß die Sprache des Bürgers vor Ort gewählt werden. Amtsdeutsch erschwert die Angelegenheit.

Stephan Ertner vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärte, dass in BW der Bürger zukünftig grundsätzlich in die Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden soll. Dabei werden Online- und Offline-Beteiligungsverfahren durchgeführt. In seinem Bereich waren eine „verfaßte Studentenschaft“ und die „Qualitätsverbesserung beim Promotionsverfahren“ erste Beispiele. Hier erschien als notwendig:

● Die Bürgerbeteiligung sollte durch eine Ausweitung der Instrumente und Zielgruppen gestärkt werden.

● Online-Verfahren sind nur ein Baustein.

Matthew Griffin ist Architekt, stammt aus Kanada und darf seit 20 Jahren in Berlin nicht wählen. Er engagiert sich als Blogger und Beteiligter in Berlin. Seine zentralen Themen waren der Ausbau der Invalidenstraße und das Liegenschaftsverfahren in Berlin. Am Beispiel der Invalidenstraße zeigte er auf, dass ein Stadtverträglicher Straßenbau in Berlin eine Farce sein kann und Bürgerbeteiligung nur vorgegaukelt wird. Daher erarbeitete der Workshop auch entsprechende Empfehlungen:

● Bei der Vergabe öffentlicher Liegenschaften sollte das Erbbaurecht eingeführt werden.

● Das Planfeststellungsverfahren sollte auf Bundesebene geändert werden.

● Bürgerbeteiligung sollte frühzeitig und kontinuierlich bereits ab der Ideenphase erfolgen.

● Heute sind ein hohes Engagement und eine persönliche Betroffenheit Hauptmotivation für Bürger, um sich zu beteiligen. Die Hürden für eine Bürgerbeteiligung sollten daher gesenkt werden.

Qualitätskriterien für die Beurteilung staatlichen Handelns müssen als Grundlage für erfolgreiche Bürgerbeteiligung benannt werden.

Das war alles ein wenig anstrengend. Aber es war gut erdacht und gemacht. Die Referenten konnten ihre Sichtweise, ihre Beispiele hervorragend darlegen. Und man mußte nicht mehr singen.

Keine Kommentare: