Mittwoch, 12. Juni 2013

Vorwandbehandlung bei Verschwörungstheoretikern



Der schmerzfreie Verkäufer liebt ihn, den Kunden, der sich als waiser Kenner des modernen Komplotts in Szene setzt. Da ist Langmut als wichtige Charakter-eigenschaft eines Vertrieblers angebracht.

Ein solches Verkaufsgespräch wird einem grundsätzlich aufgezwungen. Man sucht es nicht von sich selbst aus. Ein Komplottquerulant kündigt seinen Habitus nicht vorher an. 

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/65/September_11_Photo_Montage.jpg/1024px-September_11_Photo_Montage.jpg
"Bestmögliches Beispiel für Verschwörungstheorien!"
(Quelle: Wikipedia; Author: UpstateNYer;
Lizenz:
Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Der Verlauf eines solchen „Gesprächs“ ist durchaus vorhersehbar. Diese Konversation wird lange dauern, wenn man einen Abschuss erzielen will. Und, der ist sehr wohl möglich.

Das testet der entspannte, sich nicht in einer persönlichen Lebenskrise befindende Verkäufer am besten durch ein oder zwei Fragen zu Beginn. Um welches Produkt geht es? Welcher Aspekt ist von Interesse? 

Wenn das Gegenüber jetzt nicht kategorisch ausfallend sondern erst einmal ausweichend mit einer vorsichtigen Gegenfrage seinen Vorwand vorbereiten will, dann hat man Chancen für einen Contract. 

Kann man hier einen vielleicht sogar nicht einmal vorhandenen Einwand herausarbeiten? Ansonsten zieht man genau jetzt die Reißleine. Hat der Kunde einen Einwand oder glaubt er nur einen Einwand zu haben? Wenn es nur um den Vorwand geht, sein Herz oder die eigene überbordende Intelligenz zeigen zu wollen, dann darf hier Schluß sein.

Die Motive des Verschwörungs-theoretikers mögen letztendlich nicht erklärbar bleiben. Hier mag jemand Aufmerksamkeit suchen. Hier mag sich jemand für gebildet, weise, schlau und gewieft halten. Das verwundert alles nicht. Im Durchschnitt haben wir in Deutschland heute die am besten ausgebildete Bevölkerung ever. 

Immerhin! Wenn dieser Kunde sich für gewieft hält, dann hat er auch eine Kaufabsicht, will den Vertriebler überlisten und Rabatte herausschlagen.

Der Verkäufer muß sich auf diese Art eines Gesprächs einlassen. Er muß bei der diffusen Argumentation, die er erleben wird, intellektuell einhaken können. Nein! Es handelt sich keinesfalls um einen Monolog des waisen Gegenübers. Das eigene Produkt muß klar und positiv von den Monologbeispielen, die da kommen mögen, abgegrenzt werden. Der Kunde muß ernstgenommen werden. Man läßt ihn ausreden und zeigt ihm weitere Wege auf, wie man sein Anliegen (seinen Vorwand) aufnehmen kann. Man nimmt sein Gegenüber wahr und läßt es sich austoben, quasi ins Leere laufen.

Die „Argumentationsketten“ sehen momentan in etwa folgendermaßen aus:

Alle wissen es. Es wissen wirklich alle. Gerade bei Ihnen wissen es auch alle. Aber Sie gehören noch zu den am wenigsten Schlechten!“ Na bitte! Dieser Kunde ist nicht vollständig abgeneigt!

Der (oder die) AfD ist nicht rechtsgerichtet. Es geht um Deutschland!“ Was das den Verkäufer oder dessen Arbeitgeber wohl angehen mag?

In mannigfaltiger Variation hört man: „In Deutschland gibt es 4.500 gewaltbereite Salafisten von 45.000 Salafisten insgesamt. Die töten sofort“! Hier werden gerne Internetseiten als Quellen herangezogen!

Das Thema Europa wird heutzutage immer kommen. „Da werden Billionen von €uro an die Südländer vergeben. Das Geld ist weg. Die Renten unserer Kinder sind nicht gesichert. Das sind Länder, die unser Niveau nicht haben.“ Da sollte man aus Vertriebssicht immer zustimmen. Jetzt kann man ruhig auf einen Bericht im Handelsblatt verweisen. Das zieht immer! Laut Bericht vom12.06.2013 befinden sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts in einer Europa-Falle.

Man muß einen Monolog des Komplottisten vermeiden. Was darf man antworten, um ein Gespräch aufrecht erhalten und erzwingen zu können? „Ja. Ja. Genau. Richtig. Mmhmmh.“ Man verwende die Art der Höflichkeit, die man in Business-English-Schulungen gelehrt bekommen hat. "Darf ich Ihnen da mal kurz helfen?"

Man kann als weitere Informationsquellen den Freitag oder die Jungle World empfehlen. Letztere ist gut gemacht und meist unbekannt. Man gibt also einen ernstgemeinten Tip.

Jetzt! Nach dieser langen Qual! Sobald der Käufer sich ausgeredet hat kommt er selbst gerne auf die vom Verkäufer eingangs (s.o.) gestellten Fragen zum Produkt zurück. „Wir könnten noch stundenlang reden!“ Jetzt gilt es, das Produkt in gleichbleibender Sprachmodulation anzupreisen und zu verkaufen. Und das klappt.

Danach gibt man abschließend ruhig noch ein paar Tips, wie der abgeschossene Kunde seine Anregungen am besten einbringen kann. An wen sollte er sich wenden?

Nach einem solch anstrengenden, zehrenden aber erfolgreichen Verkauf muß man sich entspannen. Man kann z.B. einen monologisierenden Blogpost schreiben.

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