Moabiter Plaudereien; 28.06.2013
Wer kleine Kinder
hat, weiß, wovon ich rede. Was die Kleinen so alles finden!? Pfennige, wertvolle
Steine, Schnecken oder auch Feuerkäfer und ständig kleine Spielzeugfiguren. Letztere
glücklicherweise nie geklaut.
Der erwachsene Mensch, er ist wohl zum oberflächlichen,
abgebrühten Betrachter seiner Umwelt mutiert. Der Findungsreichtum seiner
Kinder kann ihn inne halten, stehen bleiben und seinen Blick geduldig
umherschweifen lassen.
„Na klar!“, möchte man einwerfen. Das kann doch nur daran
liegen, dass Kinderaugen einfach dem Boden näher sind. Und das eigene Augenlicht wird schließlich
auch schlicht und schlechter.
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"Wer diesen Mann wohl nicht erkennt?" (Quelle: Wikipedia / Author: П. Бендель/ Lizenz: This work is not an object of copyright according to Part IV of Civil Code No. 230-FZ of the Russian Federation ) |
Täglich durchquere ich auf dem Weg zur Arbeit mit meinem
Fahrrad den Tiergarten. Ich rase vormittags, abends oder nachts dahin. Und dennoch waren mir so langsam und schon seit
Wochen immer wieder Touristen aufgefallen, die am Kleinen Stern einen
Stromkasten fotografierten oder ein paar hundert Meter weiter innigst wie in
Zeitlupe einen Mülleimer betrachteten.
Es brauchte seine Zeit, bis diese Beobachtungen mein
Großhirn wirklich erreichten. Gab es in den Städten, aus denen diese armen
Menschen stammten, keine Stromkästen? Bewunderten sie den „Anti-Krähen-Schutz“,
den Berliner Mülleimer notwendigerweise haben? War Berlin so langweilig, dass man sich an so
etwas sattsehen mußte?
Heute hielt ich also inne. Ich stieg vom Rad, als ich schon
wieder zwei Menschen in gebückter Haltung vor diesem, dem einen Mülleimer
verharren sah. „Peeeeeeeep“ lautet
das Wort, das frontal oben am Rande aufgeklebt ist. Und dieses „Peeeeeeeep“ läßt
erwachsene Menschen inne halten, verharren und eine Unwichtigkeit wahrnehmen,
die in der Raserei des Alltags übersehen bleibt.
Zwei Steinwürfe weiter am besagten Stromkasten entdeckte ich
dann sofort die zweite Unwichtigkeit, die es den Touristen so sehr angetan hat.
Und – genau – ein fotografierendes Pärchen stand davor. Diese zweite Unwichtigkeit
war in ihrer Prägnanz etwas eindringlicher. „Dingo Kong – weil Sex Spaß macht!“, ein Slogan, der um die Welt
gehen wird.
Ich lächelte vor mich hin: „Fotografieren könn‘ se, die
Touristen! Aber mal ein wenig lächeln?“
Grinsend dachte ich an den nackten armen
Irren, der heute im Berliner Neptunbrunnen von einem Polizisten erschossen
worden war oder an den amerikanischen Teenager, der sein Leben abrupt und ausgerechnet
mit einem besoffenen Fall aus dem Hotel Bogota beenden mußte.
Ein Berliner Zeitalter
bricht an und ergreift Besitz. Aber nur, wenn man Muße hat und Lachen und
Respekt vor sich selbst.
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