In Deutschland werden Wissenschaft
und Forschung privat von Firmen und Unternehmen oder im staatlichen Rahmen
durchgeführt. Die öffentlich organisierte „Wissenschaftslandschaft“ ist tendenziell
unübersichtlich aber strukturiert organisiert. Man spricht von den „Säulen“ der
deutschen Wissenschaft.
Die sechs Säulen des "Wissenschaftssystems" in Deutschland! Eigene Quellensuche und Darstellung! (Daten 2010) |
Laut „Bundesbericht Forschung und
Innovation 2010“ gibt es momentan 46 "Ressortforschungseinrichtungen" des Bundes
in Deutschland. Sie sind einzelnen Bundesministerien zugeordnet, den einzelnen
Ressorts. Auf Landesebene angesiedelt gibt es ebenfalls entsprechende
Institutionen. Als Rechtsformen werden Stiftungen, eingetragene Vereine oder
die Form der „nicht geschäftsfähigen“ Bundesoberbehörde gewählt.
Ressortforschungseinrichtungen
befassen sich vorrangig mit „Politikberatung und Informationsbeschaffung,
teilweise auch mit Regulierungs- und Prüfaufgaben sowie Dienstleistungen für Dritte
und die Öffentlichkeit“. Der Anteil der Forschung an den Gesamtaufgaben, hängt von
der Rechtsform nicht ab. Man kann die Aufgaben einzelner Institute schwer
miteinander vergleichen. Die Institute sind „ausgesprochen heterogen“.
Wie sehen die Ministerien die Aufgaben ihrer
Ressort-Forscher?
Ministerien in Deutschland sind
streng hierarchisch aufgebaut. Sie exekutieren die staatliche Gewalt. Vom
Minister an der Spitze bis zum Hilfssachbearbeiter an seinem Arbeitsplatz kann
es 9 (es werden mehr, wenn man die nachgeordneten Bundesbehörden einbezieht!)
Hierarchieebenen geben. In der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der
Bundesministerien“ (GGO) ist penibel genau beschrieben, wie ein Vorgang zu
bearbeiten ist, welche Möglichkeiten der Mitzeichnung es gibt, welche
Stiftfarbe der Beamtete Staatssekretär zu verwenden hat, welche der
Parlamentarische Staatssekretär.
Die Akte und die Vollständigkeit einer Akte
sind hier wesentliche Grundlage staatlichen Handelns. Die Mehrzahl der
Mitarbeiter in den klassischen fünf „Genitiv-Ministerien“ (Ministerium des
Inneren etc.) hat spätestens ab der Ebene der Referenten aufwärts Jura oder
Volkswirtschaft studiert oder ist Verwaltungsfachmann. In den sogenannten „Fachressorts“
(Bundesministerium für Umwelt) sind auch fachspezifisch ausgebildete Akademiker
tätig.
Ein guter Gruppen- oder Abteilungsleiter zeichnet sich prinzipiell durch
Verwaltungs- und Vorgangswissen aus. Ein sehr guter Leiter kennt jede Akte, da
jede Akte aus seinem Bereich irgendwann über seinen Schreibtisch gelaufen ist
und er sie gelesen hat. Das Ministerium ist auf Fachwissen angewiesen, das
gerade aus der Ressortforschung kommen soll.
Die Ministerien „qualifizieren die
Ressortforschung als eigenständigen Typ angewandter Forschung“. Eine „gute
Leistung“ wird dann anerkannt, „wenn sich die Forschungsergebnisse im Prozess
der politischen Praxis bewähren“. Die wissenschaftliche Expertise darf dabei
auf nationaler oder internationaler Ebene nicht in Frage gestellt werden. Es
gilt als ein „Wagnis, wenn sich die ressorteigene Forschung an der ‚Spitze der
Wissenschaft‘ orientiert, weil die dort eingesetzten Methoden und
Interpretationen oftmals noch innerhalb der Wissenschaft kontrovers diskutiert
werden“.
Die Ressortforschung wird als Instrument in der „politischen
Auseinandersetzung“ genutzt. Dafür muss die "wissenschaftliche Expertise vertrauensvoll“
sein. Sie muss von Experten als „richtig anerkannt“ werden. Die Expertise muss „unparteilich“
und „ohne Eigeninteresse“ sein. Aus dieser Sicht heraus ist es kontraproduktiv,
im Bereich der Ressortforschung eine Erhöhung des Drittmittelanteils oder mehr
Publikationen zu fordern. Die „Unabhängigkeit der Forschung“ sei „nicht mehr
gegeben“, wenn die Institute „auf Drittmittel angewiesen“ seien. Ein amerikanischer Think Tank hat ebenfalls keine Schwierigkeiten, sich von Drittmitteln fernzuhalten. Außen- und Verteidigungsministerium sind dort sehr zuwendungsfreudig!
Die Einbindung
einer Ressortforschungseinrichtung in die Hierarchie eines Ministeriums bietet „absolute
Loyalität“, „Zuverlässigkeit“ und den „direkten politischen Durchgriff auf die
Einrichtungen“. Ressortforschungseinrichtungen sind oft auskunftspflichtig
gegenüber dem Ministerium. Das „Primat der Politik gegenüber der Wissenschaft“
soll sichergestellt werden. Damit wird auch begründet, dass „die
Ressortforschung nicht zum wissenschaftlichen Feld gehört und auch nicht
gehören darf“. Aus dieser Sicht heraus ist „Erkenntnisgewinn für die
Wissenschaft“ genau genommen „ein netter Nebeneffekt“.
Das Primat der Politik
führt dazu, dass die Wissenschaftler der Ressortforschung „bei der
Methodenauswahl und den Ergebnissen“ selbst entscheiden sollen und Ihnen bei
der „Themenauswahl“ „nur eine gewisse Unabhängigkeit“ erlaubt wird. Diese
Sichtweise erschwert es den Instituten, eine vorausschauende Forschung oder „Vorlaufforschung“
zu betreiben. Exemplarisch zeigt sich dies in der Agrarpolitik. Auf „Dioxin,
Milchseen, Schweinepest“, BSE oder die „bildliche Verdichtung von
Risikoskandalen in massenhafter Rinderkeulung“ konnten die Bundes- oder Landesministerien
nur reagieren.
Gleichzeitig kann die strenge Einordnung in die Hierarchie des
Ministeriums auch eine erfolgreiche Vorlaufforschung beeinträchtigen, wenn die
Ergebnisse die Politik nicht erreichen. Im Bereich der Außenpolitik betrifft
dies Studien zu unterschiedlichsten Themenfeldern. Interessant ist
beispielsweise, dass „Anzeichen eines bevorstehenden Zusammenbruchs der DDR im
Jahre 1989 wissenschaftlich überzeugend“ waren. Diese „passten aber nicht zu
vorherrschenden Klischees und wurden deshalb nicht wahrgenommen“.
Die Zitate sind im Wesentlichen der wunderbaren
Studie von Prof. Dr. Eva Barlösius mit dem Titel „Zwischen Wissenschaft und
Staat? Die Verortung der Ressortforschung“ entnommen! Andere Quellen können bei FHVI nachgefragt werden!
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