Der renommierte und einflussreiche ehemalige
Verfassungsrichter Prof. Dr. Udo Di Fabio hat heute eine bemerkenswerte
Stellungnahme in der FAZ auf Seite neun veröffentlicht. „Das europäische
Schuldendilemma als Mentalitätskrise“. Unbedingt lesenswert!
Manchmal wünscht man sich, man wäre Staats- oder
Verfassungsrechtler. Di Fabio spannt einen weiten Bogen. Hoffentlich hat er
mehr als nur ein Buch über 800 Jahre der Geschichte der Schuldenkrisen gelesen.
Zunächst gibt Di Fabio einen Einblick in das Grundverständnis
der Verfassung unseres Landes. Deutschland ist auf Bundesebene seit dem Zweiten
Weltkrieg gewollt als strikt repräsentative Demokratie ausgeformt worden. „(W)as
passiert, wenn Parlamente selbst regieren (und nicht etwa einen Monarchen
kontrollieren) oder mit einer Regierung politisch gleichsinnig verbunden sind?
Dann müssen sie sich selbst disziplinieren …“ Dies gilt für alle nationalen
Parlamente in Deutschland, wie in Frankreich, wie in the UK oder wie in
Griechenland.
„Am besten wäre es natürlich, wenn die Bürger mit dem
Stimmzettel … auf Haushaltsdisziplin dringen würden.“ Ist dies in einer strikt
repräsentativen Demokratie nicht möglich, „(s)o bleibt denn vor allem das Recht
als Grenzraum“ der Politik. Dies erklärt die starke Rolle des
Bundesverfassungsgerichtes (BVG) in Deutschland und lässt auf mehr Bürgerbeteiligung bauen.
Di Fabio erläutert im Folgenden die Konstruktion der
Währungsunion und beschreibt das von Anfang an bekannte Grundproblem der Union.
„(F)ür Länder wie Portugal oder Griechenland änderte sich eine Menge. Diese
Länder verfügten plötzlich über eine Währung, die in ihrem Wert die
Wirtschaftskraft ihres Landes übertraf“. Sie hatten ähnlich niedrige Zinsen auf Staatsanleihen zu zahlen wie etwa Deutschland. Dieses Gottesgeschenk haben sie nicht etwa genutzt, um ihre Haushalte oder Wirtschaftsstrukturen zu sanieren, sondern sie haben "Manna" verteilt.
Unterschiedliche Zinslasten für Staatsanleihen waren in der Währungsunion als Diziplinierungsmittel gewünscht
und hatten immer Tradition. Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung kann nicht
helfen, sehr wohl hilft es, „wenn sich jeder an die Spielregeln hält“.
Solange kein Europäisches Volk existiert, wird auch kein
EU-Parlament über den nationalen Parlamenten stehen. Der "politische Primärraum" obliegt den nationalen Parlamenten.
„Damit wird auf einen Schlag klar, dass die europäische
Staatsschuldenkrise nicht irgendeine Krise der Europäischen Union ist, sondern
ihr Schicksal als politisches Projekt tatsächlich auf dem Spiel steht“.
Die
Bundeskanzlerin erreicht ihre letzte rote Linie. Es ist zweifelhaft, ob ohne Volksentscheid auch nur der ESM ratifiziert werden darf. Haben Verfassungsrichter in Amt und Würden den Mut, dieses Projekt aufzuhalten?
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